Auch bei Gesundheits-Apps und ePA keine Einigung
Die Verhandlungen zur Erstattung der stark gestiegenen Hygienekosten in Arztpraxen sind gescheitert. Der GKV-Spitzenverband lehnt es ab, Geld für notwendige zusätzliche Hygienemaßnahmen bereitzustellen. Auch zu den Gesundheits-Apps und der elektronischen Patientenakte gibt es keine Einigung.
„Die durchweg ablehnende Haltung der Krankenkassen ist äußert befremdlich. Sie schadet der Patientenversorgung“, kritisierte KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen. Er erwarte jetzt eine sachgerechte Entscheidung des Erweiterten Bewertungsausschusses, der nach dem Scheitern der Verhandlungen im Bewertungsausschuss eingeschaltet wurde.
Die KBV fordert seit Jahren eine kostendeckende Finanzierung der Hygienemaßnahmen in Arztpraxen. Hintergrund ist, dass durch eine Vielzahl neuer Gesetze, Vorschriften und Richtlinien die Anforderungen und damit auch die Ausgaben und Zeitaufwände für Hygiene enorm gestiegen sind. Nach einer Erhebung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung mussten die Praxen im Jahr 2018 durchschnittlich 24.287 Euro für Hygienekosten aufwenden.
Gassen rügt die Haltung der Kassen
„Die Krankenkassen haben die Verhandlungen zu den Hygienekosten immer wieder verzögert und neue Daten angefordert, um uns letztlich mitzuteilen, sie hätten kein Geld“, sagte Gassen den PraxisNachrichten. Dabei sei die Einhaltung von Hygienevorschriften das A und O in jeder Praxis, um Patienten und Mitarbeiter vor möglichen Schäden zu schützen. „Die Ärzte mit den Kosten allein zu lassen, ist unverschämt.“
Besonders zu Buche schlagen die neuen Anforderungen zur Aufbereitung von Medizinprodukten sowie der Mehrbedarf an Verbrauchs- und Hygienematerialien. Mehrausgaben verursachen unter anderem auch die neuen Qualifikations- und Schulungsanforderungen an das Praxispersonal in Fragen der Infektionshygiene.
KBV fordert Hygienezuschläge
Zur Kompensierung der hohen Hygienekosten fordert die KBV die Aufnahme von Hygienezuschlägen in den EBM. Ärzte mit besonders hohen Hygieneaufwendungen sollen spezifische Zuschläge zu den jeweiligen Einzelleistungen erhalten. Dazu zählen ambulante Operationen und andere invasive Eingriffe, zum Beispiel Koloskopien und Herzkatheteruntersuchungen, sowie Dialysen.
Darüber hinaus sieht der KBV-Vorschlag für die allgemeinen Hygienekosten je betroffener Arztgruppe Zuschläge zu den Grund- und Versichertenpauschalen vor. Die Zahlung sämtlicher Zuschläge soll extrabudgetär erfolgen.
EBA soll entscheiden
Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit den Krankenkassen hat die KBV den Erweiterten Bewertungsausschuss (EBA) eingeschaltet, der nunmehr einen Beschluss herbeiführen muss. In der Sitzung wird es aber nicht nur um die Hygienekosten gehen. Denn auch bei anderen Vergütungsthemen konnte sich die KBV nicht mit dem GKV-Spitzenverband einigen.
Es geht um die Honorierung ärztlicher Tätigkeit, die im Zusammenhang mit der Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) wie Apps notwendig ist, und um die elektronische Patientenakte (ePA).
Hofmeister: Apps verursachen hohen Beratungsaufwand
„Gesundheits-Apps sind Medizinprodukte und keine harmlosen digitalen Spielzeuge, die Ärzte oder Psychotherapeuten einfach mal so verordnen können“, sagte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister. Es gebe einen erhöhten Beratungsaufwand, der auch vergütet werden müsse. Hofmeister: „Dies sollte auch im Interesse der Kassen sein, denn die Apps kosten teilweise mehrere hundert Euro.“ Die KBV hatte im Bewertungsausschuss einen Zuschlag zu den Versicherten-, Grund- und Konsiliarpauschalen vorgeschlagen; die Krankenkassen lehnten ab.
In dem Streit geht es außerdem um die zwei digitalen Gesundheitsanwendungen velibra und somnio, die im Oktober 2020 dauerhaft in das vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geführte Verzeichnis aufgenommen wurden und somit verordnet werden dürfen. Nach Darstellung des BfArM besteht bei beiden Anwendungen ein spezifischer Aufwand für den Arzt beziehungsweise Psychotherapeuten im Zusammenhang mit der DiGA. Aus Sicht der KBV ist dieser spezifische Aufwand bislang nicht im EBM abgebildet.
Auch keine Einigung bei der ePA
Zur Vergütung von Leistungen im Zusammenhang mit der elektronischen Patientenakte konnte im Bewertungsausschuss ebenfalls keine Einigung erzielt werden. Laut Gesetz sollen Ärzte und Psychotherapeuten Versicherte auf deren Wunsch bei der Verarbeitung medizinischer Daten in der ePA – im aktuellen Behandlungskontext – unterstützen. Für diese Leistungen, zum Beispiel das Erfassen und Speichern von Daten, ist eine Vergütung im EBM vorzusehen.
Quelle: KBV Praxisnachrichten, 07.01.2021