„Es reicht, Herr Lauterbach. Die rote Linie ist überschritten.“

Stoppschild an roter, heruntergelassener Schranke

Pressemitteilung, 04. Juli 2022

Streichung der TSVG-Neupatienten-Vergütung, um das Milliarden-Loch in der GKV zu stopfen

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will das 17-Miliarden-Loch in den Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ohne Leistungskürzungen und ohne einschneidende Sparmaßnahmen bei den Leistungserbringern flicken. Der Berufsverband der Deutschen Urologie e.V. (BvDU) ist entsetzt über die in diesem Zuge geplante Streichung der Neupatienten-Vergütung gemäß Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG).

Völlige Missachtung der Arbeit der Ärztinnen und Ärzte und des medizinischen Fachpersonals

Der Berufsverband der Urologen (BvDU) ist sich mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Bundesärztekammer (BÄK) und Ärzteverbänden wie dem SpiFa oder dem Virchow-Bund einig, dass das Vertrauen in die Politik erneut massiv erschüttert ist und kündigt weitere Proteste an. „Die Arbeit der Ärztinnen und Ärzte und des medizinischen Fachpersonals, auch in der Pflege, erfährt seitens des Bun­des­ge­sund­heits­mi­ni­ste­ri­ums keinerlei Wertschätzung und wird im Gegenteil missachtet und abgestraft“. Im Gesamt-Kontext des eklatanten Mangels an Ärztinnen und Ärzten und medizinischem Fachpersonal, auch in der Pflege, ist dies ein weiterer Schlag ins Gesicht. Die Probleme in der medizinischen Grundversorgung werden sich weiter verschärfen. „Wir wehren uns handfest gegen die Pläne des Ministers und rufen zu Protesten auf“, so die Präsidentin des Berufsverbandes, Catrin Steiniger.

Streichung der TSVG-Neupatientenvergütung anstelle Kürzungen bei den Leistungserbringern

Das Loch in der GKV will der Bund ohne Leistungskürzungen stopfen. Neben einer Erhöhung des Zusatzbeitrages um 0,3 Prozentpunkte ist ein erhöhter Steuerzuschuss und ein Bundesdarlehen vorgesehen. Zudem sollen die letzten Reserven von Kassen und Gesundheitsfonds abgeschmolzen werden, die noch über die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve hinausgehen. Die fehlenden drei Milliarden Euro sollen laut Lauterbach aus „Effizienzverbesserungen ohne Leistungskürzungen aus der Versorgung geborgen werden“, unter anderem durch eine „Solidarabgabe für die pharmazeutische Industrie“. Weiter soll es zwei „Bereinigungen“ geben, um die letzte Lücke schließen zu können. Die erste Bereinigung betrifft die Pflege im Krankenhaus. Die zweite bereinigende Maßnahme betrifft die Vertragsärzte: „Wir werden im Bereich der Vertragsärzte die Regelung im Rahmen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) streichen, dass für Neupatienten deutlich höhere Honorare bezahlt werden. Diese Regelung habe dazu geführt, dass Patienten als Neupatienten geführt werden, die gar keine echten Neupatienten sind“, sagte Lauterbach.

Lauterbach versteht seine eigene Gesetzgebung nicht

Die Mehrausgaben für die Kassen für die extrabudgetierten Beträge für die TSVG-Patienten sind relativ gering, da bereits im Vorfeld eine Bereinigung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) stattgefunden hatte. Das heißt, das MGV wurde um die für Neupatienten zu bezahlenden Honorare gekürzt.

Zudem werden – erneut – die durch Fehlleistungen und Fehlberechnungen im Bund entstandene Unterfinanzierung in der GKV Ärztinnen und Ärzte zur Rechenschaft gezogen. „Es kann nicht sein, dass eine defizitäre GKV-Finanzierung zu Lasten der ärztlichen Honorare erfolgt. Zumal der Bund die Finanzierungslücke offenbar nicht schließen will“, so der BvDU. Ganz grundsätzlich übersteigen die Kosten für Patientinnen und Patienten, die über den Bund für Soziales versichert sind, um ein Vielfaches den Zuschuss, den der Bund gibt. Es ist völlig unverhältnismäßig, dass die Ärzte jetzt Honorarkürzungen erdulden müssen zur – lediglich kurzfristigen – Deckelung des GKV-Defizites. „Der Bund habe es seit Jahren versäumt, für eine ausreichende Finanzierung der tatsächlichen Kosten für die Krankenversicherung zu sorgen“, so der Berufsverband.

Das Versagen des Bundes geht auf Kosten der Ärztinnen und Ärzte

Der Berufsverband der Deutschen Urologie e.V. ist entsetzt darüber, was der Minister den Vertragsärztinnen und -ärzten zu unterstellen scheint: Sie hätten Patientinnen und Patienten als Neupatientinnen und -patienten geführt, die gar keine echten waren. Der Minister müsste wissen, dass dies durch automatisierte Prüfverfahren ausgeschlossen ist.

Im Gegenteil leisten Ärztinnen und Ärzte, darunter Urologinnen und Urologen, und das medizinische Fachpersonal tagtäglich Enormes, auch um die in der Relation zunehmende Anzahl an Patientinnen und Patienten zu bewältigen und Neupatienten zusätzliche Termine anbieten zu können. – Und das oft über die sowieso bereits bis an die Belastungsgrenzen gehenden Arbeitszeiten hinaus. Mit dem TSVG wurde eigens die Entbudgetierung von Neupatienten bei Haus- und Fachärzten eingeführt, um die geleistete Mehrarbeit der Vertragsärztinnen und -ärzte entsprechend zu honorieren. Der Berufsverband befürchtet, dass diese zusätzlichen Sprechstundenzeiten in der Folge gestrichen werden. Das bedeutet für alle Versicherten, die einen Termin erhalten wollen, in der Realität eine echte Leistungskürzung. Er ruft seine Mitglieder und Patientinnen und Patienten zum Protest auf.