Künftig gibt es differenziertere und zusätzliche Instrumente für die Landesebene, um die regionale und lokale Verteilung von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bedarfsorientierter zu steuern. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am Donnerstag in Berlin die entsprechenden Anpassungen der Bedarfsplanungs-Richtlinie beschlossen und damit seinem gesetzlichen Auftrag fristgerecht entsprochen, bis zum 1. Juli 2019 insbesondere die geltenden Verhältniszahlen zu überprüfen und auch die weiteren Planungsinstrumente weiterzuentwickeln. Nach Umsetzung des Beschlusses können bundesweit 3.470 neue Niederlassungsmöglichkeiten entstehen, zusätzlich zu den rund 3.440 derzeit offenen Niederlassungsmöglichkeiten. Von den neuen Niederlassungsmöglichkeiten entfallen 1.446 auf Hausärzte, rund 776 auf Psychotherapeuten, 476 auf Nervenärzte und 401 auf Kinder- und Jugendärzte.
Zukunftsgerichtete Weiterentwicklung der Planungsinstrumente
„Diese zukunftsgerichtete Weiterentwicklung der Bedarfsplanungsinstrumente ist ein wichtiger Beschluss, mit dem wir eine noch wohnortnähere und an die unterschiedliche Krankheitslast in den einzelnen Regionen angepasste ärztliche Versorgung ermöglichen. Die mit Zustimmung der Patienten- und auch Ländervertreter beschlossenen Neuerungen stärken insbesondere die haus- und kinderärztliche Versorgung und die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Zudem wird die Versorgung in ländlichen Regionen gestärkt. Zusätzlich zu den heute freien Arztsitzen gibt es 3.470 neue Niederlassungsmöglichkeiten, damit können bundesweit insgesamt 6.906 Niederlassungen erfolgen“, erläuterte Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA.
Essentiell: Prüfung und Anpassung vor Ort
„Dabei sind die Festlegungen des G-BA zur Bedarfsplanung nur der allgemeine Rahmen, von dem die Länder und Landesausschüsse je nach den regionalen Gegebenheiten abweichen und zusätzliche Niederlassungsmöglichkeiten eröffnen können. Diese Prüfung und Anpassung vor Ort ist essentiell, denn es ist nicht möglich, von Berlin aus in einer Richtlinie verbindliche und passgenaue Regelungen für jeden Kreis und jede Gemeinde in Deutschland zu treffen, die in ihrer Struktur völlig unterschiedlich sein können. Deshalb flexibilisieren wir die Regelungen und eröffnen weitgehende Abweichungsmöglichkeiten, die helfen, konkrete Probleme vor Ort zu lösen. Was der G-BA aber nicht kann, ist, das Problem eines Ärztemangels oder fehlender Bewerber auf freie Arztsitze zu lösen. Mit den neuen Niederlassungsmöglichkeiten haben wir noch keinen einzigen neuen Arzt am Patienten/In der Versorgung. Bereits heute sind über 2.700 Hausarztsitze unbesetzt, jetzt kommen fast 1.450 weitere dazu. Für diese fast 4.000 Niederlassungsmöglichkeiten vor allem in ländlichen Gebieten attraktive Angebote an junge Ärzte zu machen, ist eine große Aufgabe und Herausforderung für Länder, Kreise und Kommunen“, so Hecken weiter.
Abbildung des Bedarfs über regionale Verhältniszahlen
Die Verhältniszahlen – Einwohnerzahl pro Arzt beziehungsweise Psychotherapeut – sind in der Bedarfsplanungs-Richtlinie weiterhin nach Arztgruppe und Planungsbereich differenziert als bundeseinheitlicher Maßstab festgelegt. Zukünftig wird es jedoch ein zweistufiges Berechnungsverfahren zur Anpassung dieser Basis-Verhältniszahlen nach vier Altersgruppen, Geschlecht und Krankheitslast in einer Region geben. Die errechneten regionalen Verhältniszahlen spiegeln dann wider, ob in einem Planungsbereich mehr oder weniger Ärzte beziehungsweise Psychotherapeuten benötigt werden als im Bundesdurchschnitt.
Mit der Überarbeitung der Richtlinie wurden die Verhältniszahlen für Kinder- und Jugendärzte, Nervenärzte, Psychotherapeuten und Fachinternisten abgesenkt, da hier ein grundsätzlicher Mehrbedarf an Ärztinnen und Ärzten beziehungsweise Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten festgestellt wurde.
Steuerung der Niederlassungen durch Unter-/Maximalquoten
Die gezielte, einen Proporz von Subspezialisierungen berücksichtigende Nachbesetzung eines fachinternistischen Arztsitzes ist für die Landesebene bislang rechtlich so nicht möglich. In der Zulassungspraxis kommt es in dieser Arztgruppe deshalb zur Häufung von einzelnen Subspezialisierungen zulasten anderer, insbesondere von Rheumatologen.
In der Arztgruppe der Fachinternisten legte der G-BA für Rheumatologen eine Mindestquote von 8 % fest. Die Erhöhung auf 10 % wird nach 5 Jahren geprüft. Weiterhin wurden für ausgewählte Fachinternisten Maximalquoten festgelegt, die bei Zulassung und Nachbesetzung nicht überschritten werden sollen. Für die Arztgruppe der Kardiologen liegt dieser Höchstanteil bei 33 %, für Gastroenterologen bei 19 %, für Pneumologen bei 18 % und für Nephrologen bei 25 %.
Umfangreichere Abweichungsmöglichkeiten auf Landesebene
Die Möglichkeit, auf Landesebene regionale und lokale Besonderheiten zu berücksichtigen und von der bundeseinheitlichen Planungssystematik abzuweichen, sieht die Bedarfsplanungs-Richtlinie bereits seit ihrer Neufassung im Jahr 2012 vor. Diese umfangreichen Abweichungsmöglichkeiten wird es auch weiterhin geben.
Darüber hinaus hat der G-BA die durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) neu geschaffenen Möglichkeiten umgesetzt, wonach die Landesbehörden in ländlichen oder strukturschwachen Gebieten Zulassungssperren für die Neuniederlassung von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten sowie Vertragspsychotherapeutinnen und Vertragspsychotherapeuten aufheben können.
Inkrafttreten und Umsetzung der Änderungen
Der Beschluss zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung kann nach Nichtbeanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit mit Wirkung zum 30. Juni 2019 in Kraft treten.
Nach Inkrafttreten der beschlossenen Änderungen zum 30. Juni 2019 haben die Landesausschüsse maximal 6 Monate Zeit, diese umzusetzen. Im Zuge dessen werden auch die in einer Kassenärztlichen Vereinigung zu erwartenden zusätzlichen Niederlassungsmöglichkeiten pro Planungsbereich berechnet.
Weiterentwicklung der Bedarfsplanung der Versorgung
Die Bedarfsplanung ist ein Instrument, um einen gleichmäßigen und bedarfsgerechten Zugang der gesetzlich Krankenversicherten zur haus- und fachärztlichen ambulanten Versorgung sicherzustellen. Der G-BA ist gesetzlich beauftragt, eine bundeseinheitliche Planungssystematik festzulegen. Bestandteil dieser Rahmenvorgaben sind auch Bewertungsmaßstäbe für Über- und Unterversorgung sowie die Eröffnung regionaler und lokaler Abweichungsmöglichkeiten. Die Bedarfsplanungs-Richtlinie wird vom G-BA kontinuierlich überprüft und angepasst.
Auf Grundlage des bundesweit vergleichbaren einheitlichen Planungsrahmens wird auf Landesebene die aktuelle vertragsärztliche Versorgungssituation erfasst und dem Versorgungsbedarf entsprechende Niederlassungsmöglichkeiten für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie Vertragspsychotherapeutinnen und Vertragspsychotherapeuten geschaffen. Auf Landesebene wird auch entschieden, ob und inwieweit auf regionaler oder lokaler Ebene von der bundeseinheitlichen Systematik abgewichen wird.
Der Gesetzgeber hatte den G-BA beauftragt, bis zum 1. Juli 2019 die geltenden Verhältniszahlen zu überprüfen und hierauf aufbauend die Planungsinstrumente weiterzuentwickeln.
Der G-BA hat auf Basis der Empfehlungen des Gutachtens zur Weiterentwicklung der Bedarfsplanung zur Sicherung der vertragsärztlichen Versorgung, eigener Modellrechnungen (auf Landes- und Bundesebene) sowie unter Berücksichtigung des seinerzeit aktuellen Entwurfes des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) die Anpassung der Bedarfsplanungs-Richtlinie beraten. Über die Einbindung der Ländervertreter in die Beratungen und durch das gesetzlich vorgesehene Stellungnahmeverfahren zum Beschlussentwurf wurden weitere umfassende Erkenntnisse als Entscheidungsgrundlagen eingeholt.
Quelle: PI – Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA), 16.05.2019