Wie kann das GKV-System gerettet werden? Berufspolitisches Forum des BvDU thematisierte „Ökonomie und Nachhaltigkeit“

Blick entlang einer Reihe steinerner Säulen

Grundlegende Strukturänderungen sind selbst aus Sicht der gesetzlichen Krankenkassen erforderlich, um das System der GKV vor dem Kollaps zu bewahren. Vorschläge, wie es auf stabile Säulen gestellt werden könnte, liegen auf dem Tisch. Doch die Regierung geht diese elementar notwendige Neuausrichtung nicht an.

Auf Grundlage der Leistungsabrechnung für gesetzlich Versicherte ist eine auskömmliche und sachgerechte Betreibung von Praxen nicht möglich. Die aktuelle Erhöhung des Orientierungswertes um 3,85 % deckt die gestiegenen Kosten der Praxen in keiner Weise ab und ist aus Sicht des BvDU ein Schlag ins Gesicht der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Gelebte Realität ist, dass Einkünfte aus der Versorgung privat versicherter Patientinnen und Patienten die hierdurch entstehenden Lücken in der Finanzierung teilweise decken. Diese stagnieren seit Jahrzehnten und dem Entwurf einer neuen GOÄ stimmen zahlreiche Verbände, unter anderem der BvDU, unter den derzeitigen Bedingungen und vor Klärung bestimmter Sachverhalte nicht zu.

Ökonomisierung der Medizin und Nachhaltigkeit aus Sicht der Medizin, der Selbstverwaltung und der Ökonomie

Auf dem DGU-Kongress hatte das Berufspolitische Forum des BvDU deshalb aus gutem Grund das Thema „Ökonomisierung der Medizin und Nachhaltigkeit“. Es wurde aus Sicht der Medizin, aus Sicht der Selbstverwaltung und aus Sicht der Ökonomie ausgeführt und diskutiert.

Dr. med. Thomas Krönert, Geschäftsführer und Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie der Thüringen-Kliniken, denen ebenfalls ein MVZ angehört, beschrieb aus Sicht der Medizin die aktuelle Lage der Krankenhäuser und was durch Klinik- und Notfallreformen auf sie zukommen wird. Erwartet wird in 2024 bei 80 % der Kliniken ein Verlust. „Ökonomie wird dann problematisch, wenn medizinische Inhalte oder ärztliches Handeln durch sie beeinflusst werden. Dies führt zu einer Arbeitsverdichtung, Demotivation und Überlastung des medizinischen Personals. In der Folge führt dies direkt zu einer medizinethischen Betrachtung“, so Dr. Krönert in seinem Vortrag.

Dr. med. Stefan Windau, Vorsitzender der Kreisärztekammer Leipzig und als Vorstandsmitglied der Landesärztekammer, zugleich auch der Vorsitzende der Vertreterversammlung der KVS und damit Mitglied der KBV-VV, brachte im Schwerpunkt die Sicht der Selbstverwaltung ein, ergänzt mit der Sichtweise der Niedergelassenen aufgrund seiner hausärztlich internistischen Tätigkeit in seiner Praxis und seiner psychotherapeutischen Tätigkeit. Aus Dr. Windaus Sicht ist die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit dem derzeitigen Modell des KV-Systems nicht mehr zu erbringen. „Wir müssen die Funktionalität erhöhen.“ Als Gründe nennt er die zunehmende Anzahl angestellter Ärztinnen und Ärzte, wie auch die mit ihr eingehende Mentalität. „Dies muss als Tatsache akzeptiert und zur Kenntnis genommen werden. Ebenfalls Tatsache ist, dass keine Nachbesetzungen mehr zu finden sind, so dass andere Modelle der Versorgung zu finden sind.“ Deutschland habe einen hohen Anteil an Gesundheitsausgaben/Kopf und ein grundsätzlich gutes Versorgungssystem. Doch Deutschland mache sich das Leben durch seine Regelungswut selbst schwer.

Prof. Dr. Stefan Greß, Dekan der Hochschule Fulda mit den Lehrgebieten: Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung und der Studiengangleitung Gesundheitsökonomie und –politik, zeigte aus Sicht der Ökonomie auf, dass Deutschland keine Kostenexplosion habe, wie oft als Begründung angeführt, sondern, dass im Gegensatz die Einnahmenentwicklung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht ausreiche, um die Kosten zu decken. Mit der Folge, dass trotz steigenden Bundeszuschüssen zur GKV (in 2024 14,5 Mrd. €), die aus Steuermitteln finanziert werden, eine Steigerung der Beitragssätze zur Finanzierung der entstandenen Lücke die Folge waren (seit 2025 kumuliert 16, 3 %). Hintergrund sei die „Sozialgarantie“, die die Ampelregierung bestimmten Gruppen gewährt habe. Das bedeute in der Konsequenz, dass die Gesetzliche Krankenversicherung in der derzeitigen Form nicht mehr finanzierbar ist. Er zeigte die Ursachen des Ausgabenanstiegs auf, wie auch die Handlungsoptionen, über die die Politik verfügt.