Wie begeistern wir die Ärzte für die Niederlassung?

2 Hände halten schützend eine Kugel, auf der stilisiert eine Familie abgebildet ist. SpiFa-Logo und Schriftzug: Ambulante Versorgung

Das war der Titel der gleichnamigen Veranstaltung am 30. September 2020 im Bundestag. Seit einigen Jahren arbeiten zunehmend weniger Ärzte in Niederlassung, dabei wächst die Zahl der im Angestelltenverhältnis tätigen Mediziner stetig. Wie dieser Trend umgekehrt werden kann, war das Thema des von Alexander Krauß, MdB, organisierten Fachgesprächs. Teilnehmer der lebhaften Diskussion war auch der Vorstandsvorsitzende des SpiFa – Dr. Dirk Heinrich.

Teilzeitarbeit fordert mehr Studienplätze

Allein zwischen 2016 und 2018 verringerte sich die Anzahl der selbstständigen Ärzte im ambulanten Bereich um 2000. Nach Berechnungen des DIFA haben von 100.311 Ärzten derzeit 9,2% halbe Versorgungsaufträge, 2050 wären es nach aktuellem Trend 51,2%. Um diesen Trend aufzuhalten, bräuchte es bis 2050 68.312 Ärzte. Nur 4.3% der jetzt tätigen Ärzte werden voraussichtlich noch im Jahr 2050 arbeiten. „Wenn die Anzahl von Ärzten, die in Teilzeit arbeitet, steigt, so heißt das im Umkehrschluss, dass wir in Zukunft mehr Studienplätze brauchen, um die ärztliche Versorgung gewährleisten zu können“, forderte Dr. Dirk Heinrich folgerichtig.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein Muss

Dr. Michael Müller, 1. Vorsitzender des ALM e.V. und Ausschussvorsitzender des SpiFa-Ausschusses für diagnostische Medizin, stellte in seinen Ausführungen die Frage, wie die Arbeit des Arztes in Zukunft gestaltet werden kann, dass man allen Interessen gerecht wird. „Wie können Arbeit und Familie zur Zufriedenheit aller vereinbart werden? Denn der Trend zur Teilzeitarbeit wurde von allen Gesprächsteilnehmern herausgestellt und das nicht nur bei den Ärztinnen. Als Grund wurde mehrheitlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Wunsch nach einem ausgewogenen Verhältnis von Beruf- und Privatleben genannt. So ist davon auszugehen, dass dieser allgemeine gesellschaftliche Trend nicht mehr umkehrbar ist und stattdessen Lösungen dafür gefunden werden müssen. Offensichtlich wünschen sich immer mehr Mediziner, in Anstellung und in Teilzeit zu arbeiten. Nur dafür muss es auch Praxen geben, die genau diese Stellen anbieten können.

Bürokratie und repressive Ansätze als Hemmschuhe

Neben Vertretern aus den medizinischen Verbänden waren auch Studenten der Medizin am Fachgespräch beteiligt. Gleich zu Beginn wurde von dieser Seite kritisch angemerkt, dass man in der gesamten Diskussion über die Zukunft des Arztberufes einen positiven Duktus vermisse. Die Beweggründe, die zur Wahl des Studienfaches geführt haben, werden leider oft völlig außer Acht gelassen. Der Wunsch, Menschen zu heilen, vor Krankheiten zu schützen und die Freude am Beruf sollten viel mehr in den Vordergrund gerückt werden, gerade auch in der Debatte, bei der es um die Zukunft des Arztberufes geht. Nichtsdestotrotz wurden auch konkrete Kritikpunkte diskutiert, die heute vermehrt Zweifel an einer eigenen Niederlassung aufkommen lassen. Mehrheitlich zielten die Teilnehmer der Diskussion darauf ab, dass wenn im Praxisalltag weniger Zeit für Bürokratie aufgewendet werden müsste, sich mehr Ärzte für eine Niederlassung begeistern lassen würden. Weniger Regresse, weniger Sanktionen – insbesondere wurde hier die Digitalisierung erwähnt und die damit verbundenen repressiven Ansätze. Solange die den Ärzten aufgezwungenen Systeme nicht ausgereift sind und zudem auch keinen unmittelbaren Mehrwert erkennen lassen, gibt es bei den Ärzten keine Akzeptanz – so der allgemeine Tenor der Anwesenden zum Thema Digitalisierung.

Zahlreiche Lösungsansätze vorgestellt

Im Laufe der Veranstaltung wurden zahlreiche Lösungsansätze vorgestellt, um junge Mediziner für eine eigene Praxis zu begeistern, so zum Beispiel:

  • eine bessere Vorbereitung im Studium auf betriebswirtschaftliche Themen und eine Verankerung dieser in den Studieninhalten,
  • eine Reduzierung der Arbeitsbelastung bedingt durch Bürokratie,
  • das Schaffen einer guten Infrastruktur im Umfeld einer möglichen Praxis (Breitband, Kitaplätze, Arbeitsplätze für den Partner),
  • die Gewährleistung der Finanzierung einer eigenen Praxis,
  • eine Willkommenskultur im KV-Bezirk,
  • die Themen Vergütung, Budget und Bedarfsplanung im Sinne der Ärzte zu reformieren und zu guter Letzt der Grundtenor,
  • weniger Regresse, weniger Bürokratie und Reglementierung im Praxisalltag.

Zum Abschluss des Gesprächs wurde angeregt, die Gegensätze zwischen den Welten der Niedergelassenen und Angestellten aufzulösen und kein Konkurrenzverhältnis aufzubauen. Eine Anstellung kann und sollte stets als Zwischenlösung in der Biografie der Mediziner angesehen werden. Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann das Angestelltenverhältnis in Teilzeit mit kleinen Kindern die bessere Lösung sein, zu einem späteren Zeitpunkt sollte die Gründung oder Übernahme einer Praxis immer eine positive und attraktive Option sein. Wichtig hierbei ist es natürlich, dass die Finanzierung geregelt ist, auch bei Medizinern jenseits der Dreißig.

Budgetierung ist das Problem und dient nicht der Problemlösung

Dr. Dirk Heinrich richtete sein Schlussplädoyer an die Politik und zeigte sich positiv hinsichtlich der Gestaltung von besseren Bedingungen für Mediziner. Er lobte die anwesenden CDU-Politiker MdB Alexander Krauss, MdB Rudolph Henke und MdB Dr. Roy Kühne ausdrücklich für die Entbudgetierung im TSVG. Die Politiker würdigten die positive Bewertung, denn man sehe ein, dass die Budgetierung das Problem sei und keine Lösung für Probleme und junge Ärzte von der Niederlassung abhält.

Bessere Rahmenbedingungen gefordert

Auch wenn beim Fachgespräch ein anderer Eindruck entstand, Freiberuflichkeit in wirtschaftlicher Selbstständigkeit ist nach wie vor die zentrale Organisationsform ambulanter ärztlicher Versorgung in Deutschland. Nach wie vor sind 73% der Niedergelassenen als wirtschaftlich selbstständige Freiberufler tätig, wie eine aktuelle Untersuchung des DIFA zeigt. Die Zahlen zeigen auch, dass es diesbezüglich keine Unterschiede zwischen Haus- und Fachärzten gibt. „Unterschiede gibt es jedoch hinsichtlich der Kapitalintensität beim Aufbau spezialisierter Praxen und darüber sollte man dringend nachdenken, wenn man im Interesse einer guten Patientenversorgung die wirtschaftlich selbstständigen Strukturen unserer Fachärzte erhalten möchte“, so Dr. Dirk Heinrich. Aufgrund dieser Statistik wird deutlich, dass der Wunsch nach Selbstständigkeit besteht und die Politik und auch gerade die ärztliche Selbstverwaltung in der Pflicht sind, bessere Rahmenbedingungen für eine Niederlassung zu schaffen, um auf lange Sicht die ärztliche Versorgung sicherstellen zu können.

Quelle: SpiFa