Das unbegrenzte Leistungsversprechen der Politik für die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen prallt auf zunehmend begrenzte Ressourcen – finanziell und personell.
Diesen Widerspruch aufzulösen, ist aus Sicht es BvDU nur möglich, indem:
1. Umfassende und konsequente Maßnahmen für eine effektive Patientensteuerung getroffen werden.
2. Das Leistungsversprechen an die Patientinnen und Patienten auf Basis der finanziellen und personellen Möglichkeiten realisierbar ist.
Beides kann nur gelöst werden durch mehr Eigenverantwortung im System: Patientinnen und Patienten, die Eigenverantwortung leben und Ärztinnen und Ärzte, die Eigenverantwortung leben dürfen. Der BvDU regt die gesellschaftliche Debatte über Patientensteuerung, -sensibilisierung, Kostenbewusstsein und Eigenverantwortung an.
Wie dringlich dies ist, zeigt das erneute Defizit der Krankenkassen in Höhe von 776 Mio. Euro für die ersten drei Monate des laufenden Jahres. Vor allem die Kosten im Krankenhaussektor stiegen sehr stark. Die Finanzreserven der Kassen sind jedoch nach wie vor gut gepolstert.
1. Umfassende und konsequente Maßnahmen für eine effektive Patientensteuerung
Auswirkungsanalyse aufgrund der Reformen mit Analyse der Patientenströme
Eine umfassende und bundesweite Auswirkungsanalyse zu den zu erwartenden Umbrüchen aufgrund der anstehenden Reformen, u.a. der Krankenhausreform, ist aus Sicht des Berufsverbands zwingend. Durch die anstehenden Reformen kommen tiefgreifende Umbrüche auf das deutsche Gesundheitssystem zu, die nach Inkrafttreten der Gesetze praktisch unumkehrbar sind. Weder die Betroffenen, noch die Öffentlichkeit, die Bundestagsabgeordneten und die Länder werden über deren Auswirkungen vorab umfassend informiert. Eine solche Auswirkungsanalyse würde nach Überzeugung des BvDU deutlich machen, dass die Pläne des Ministers insgesamt weder die erhofften Einsparungen zur Folge haben, dafür jedoch massiv reduzierte Versorgungsangebote, deutlich weitere Wege für Patientinnen und Patienten und wahrscheinlich auch erheblich längere Wartezeiten aufgrund der Kapazitätsverknappung durch Reduzierung der Kliniken und bewusstem Ausbluten vertragsärztlicher Praxen. Niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten werden seit Jahren angemessene Honorarsteigerungen (Stillstand der GOÄ seit über 40 Jahren, marginale EBM-Anpassungen weit entfernt vom erforderlichen Umfang) und eine Gegenfinanzierung steigender Praxiskosten verweigert. Aus Sicht des BvDU ist dies ein absichtliches und bewusstes Handeln der Bundesregierung.
Auf Basis konkreter Zahlen, welcher Patient wie oft welchen Arzt aufsucht oder wie oft Patienten parallel mehrere Fachärzte aufsuchen könnte zudem Klarheit geschaffen werden für eine passende Steuerung von Patienten.
Primäre Versorgungspfade schaffen für Haus- und grundversorgende Fachärzte, u.a. Urologinnen und Urologen
Verbindliche Versorgungspfade, bei denen Haus- und grundversorgende Fachärzte, u.a. Urologinnen und Urologen, die Betreuung übernehmen, könnten den Steuerungseffekt deutlich erhöhen. Die freie Arztwahl in der jeweiligen Versorgungsebene muss davon unberührt bleiben. Dadurch würde auch ein „Ärztehopping“ vermieden werden und Ressourcen würden nicht doppelt in Anspruch genommen werden. – Ausnahmen von diesem Regelfall können entsprechend definiert werden. Die Information könnte über einen Eintrag in die Elektronische Patientenakte erfolgen.
Entbudgetierung grundversorgender Haus- und Fachärzte
Hierfür müssen aktuell bestehende Fehlanreize im Honorarsystem, insbesondere die Budgetierung im ambulanten Bereich abgeschafft werden. Aufgrund des aktuellen Systems haben Arztpraxen das Interesse, möglichst viele Krankenkassenkarten innerhalb eines Quartals durchzuziehen. Ärztinnen und Ärzte können in diesem System die wirtschaftliche Verantwortung für ihr Budget nur bedingt übernehmen.
Intersektorale Zusammenarbeit weiter verbessern
Der reibungslose, bedarfsgerechte Übergang aus dem Krankenhaus in die Nachbetreuung und –behandlung durch ihre grundversorgenden Ärztinnen und Ärzte gewährleistet für Patientinnen und Patienten eine hohe Zufriedenheit und zugleich eine so gering wie mögliche finanzielle Belastung des Gesundheitssystems. Dabei ist die reibungslose Zusammenarbeit zwischen stationärer und ambulanter Versorgung entscheidend. Die digitale sektorenübergreifende Vernetzung ist hierfür elementar. Haus- und Facharztpraxen müssen in enger Kooperation mit den Krankenhäusern weiterentwickelt werden. Die Strukturen, die bestehen, müssen weiterentwickelt und nicht zerstört werden und die Menschen, die in dem Bereich arbeiten, einbezogen und mitgenommen werden.
Notfallversorgung steuern
Vor dem Gang in die Notaufnahme muss eine verbindliche, strukturierte medizinische Ersteinschätzung telefonisch, digital oder durch eine integrierte Leitstelle erfolgen.
2. Realisierbares Leistungsversprechen für Patientinnen und Patienten auf Basis der finanziellen und personellen Möglichkeiten
Die Politik kann das unbegrenzte Leistungsversprechen für die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen (jede/r, zu jeder Zeit, mit voller Leistung, frei wählbar wo, wie oft, von wem) und die damit geförderte Flatrate-Mentalität nicht mehr aufrechterhalten. Zum einen vor dem Hintergrund der mangelnden Finanzierung. Zum anderen aufgrund zunehmend begrenzter Ressourcen (Geld für Gesundheitsleistungen, Anzahl von medizinischem Fachpersonal, Arbeitszeit der Ärztinnen und Ärzte, begrenztes Budget).
Begleitet werden muss dies durch Aufklärungskampagnen, Prävention und Gesundheitserziehung der Bevölkerung und echter „Public Health“. Nur, wenn Patientinnen und Patienten eigenverantwortlich handeln, kann das System von innen heraus geändert werden. Hierzu gehören die Transparenz über die Kosten auch für Kassenpatientinnen und –patienten. In diesem Kontext sollte eine Kontaktgebühr von 15 Euro für jeden Haus-, Fach- und Notarztkontakt geprüft werden, mit sozialen Ausgleichsmechanismen. Eine weitere Steuerung wäre möglich über Preismodelle wie: wer eine freie Arztwahl will, muss mehr zahlen. Wer weniger freie Arztwahl will oder sich in ein Disease-Management-Programm einschreibt, muss weniger zahlen. Wenn ein Kostenanstieg auch damit allein nicht zu bremsen ist, wird der Leistungskatalog geprüft werden. In Betracht käme, dass gewisse Behandlungen nur über eine private Versicherung leistbar sind.
Mit einer Beschwerde in Brüssel geht die KBV parallel gegen die vom Bundesgesundheitsminister Bevorzugung der Kliniken und Benachteiligung Niedergelassener vor. Kern hinter der Beschwerde sind Wettbewerbsnachteile des ambulanten Bereichs durch mutmaßliche rechtswidrige staatliche Beihilfen für die Kliniken zum Nachteile der Niedergelassenen. Der Gesetzesentwurf zur Klinikreform verstoße gegen Regelungen zum EU-Beihilferecht, weil er erneut eine finanzielle Förderung ausschließlich der Krankenhäuser vorsehe. Der Berufsverband schließt sich der Forderung der KBV an, dass alle Teilnehmer des Gesundheitswesens faire, gerechte und gleiche Rahmenbedingungen haben.
Quellen: Ärztenachrichtendienst (änd), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)