Telemedizin – aktuell gute Alternative oder bald State-of-the Art?

Schriftzug im Scheinwerferlicht

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen erfährt derzeit mächtig Aufwind. Um die Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus zu minimieren, bieten immer mehr Praxen und auch Kliniken Videosprechstunden an. Für viele Vertragsärzte ist es das ideale Pendant des „Home-Office“, wie es derzeit in der übrigen Wirtschaft praktiziert wird. Unbürokratische Anzeigeverfahren und aufgehobene Begrenzungsregeln machen es möglich. Auch Patienten fordern vermehrt digitale Angebote an. Und die Politik macht Tempo: das Bundeskabinett gab im April dem Entwurf des Patientendaten-Schutz-Gesetzes grünes Licht. Damit sollen E-Rezept und digitale Facharztüberweisungen schon bald nutzbar werden. Und jeder Versicherte soll die Möglichkeit bekommen, seine Daten in der elektronischen Patientenakte sicher zu speichern.

Sicherheitsmängel bremsen Digitalisierung

Es scheint, dass während der Corona-Pandemie viele Probleme und Bedenken in der Telemedizin verschwinden und pragmatischen Lösungen Platz machen. Denn wir erleben gerade, wie digitale Angebote helfen, Patienten besser zu versorgen. Das ist zunächst einmal eine sehr positive Entwicklung, doch aktuell sind wir noch weit davon entfernt, die wirklichen Chancen der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu nutzen. Voraussetzung für Ärztinnen und Ärzte ist dafür teilweise erstmal, dass sie sich einen E-Arztausweis beschaffen, um künftige digitale Angebote wie das E-Rezept signieren zu können. Bei dessen Ausgabe wurden zuletzt gravierende Sicherheitsmängel festgestellt. Diese sind zwar inzwischen behoben, aber das Vertrauen ist beschädigt.

Datensammlungen sind nicht nur wichtig für Diagnostik und Therapie bei Patienten, sondern auch für eine bedarfsgerechtere Steuerung des Gesundheitssystems. Dazu muss der ambulante Bereich gestärkt werden: Hier kann man viele Patienten telemedizinisch auch zu Hause überwachen und damit den stationären Bereich entlasten. Wären wir in der Digitalisierung schon weiter könnten wir einige Patienten aktuell davor schützen, dass sie ins Krankenhaus müssen, wo sie andere anstecken oder selbst angesteckt werden.

Auch müssen Gesundheits-Apps & Co. schneller im Patienten-Alltag ankommen und können – je nach Einsatzgebiet– dort zum State-of-the-Art avancieren. Vielleicht können Ärzte schon im Spätsommer erste zugelassene DiGAs regulär verordnen. Im Rahmen des DiGA-Summit des Health Innovation Hub des Bundesgesundheitsministeriums wurde Ende April der offizielle Startschuss für das BfArM-Verfahren gegeben. Zwar ist noch nicht klar ist, wie diese „Verordnung“ genau ablaufen wird, aber denkbar ist, dass Ärzte ihren Patienten einen krankenkassenspezifischen Zugangscode rezeptieren, ähnlich wie bei Terminservicestellen.

Digitale Unterstützung für die urologische Praxis

Bereits seit einiger Zeit können BvDU-Mitglieder eine „PraxisApp Urologie“ über uns beziehen, mit der sie ihre Patienten schnell und direkt kontaktieren und unterstützen können. Sie bietet zahlreiche praktische Einsatzmöglichkeiten – von der Erinnerung an Termine bis hin zur zertifizierten Video-Sprechstunde. Patienten können diese App kostenlos auf ihr Smartphone laden. Sinnvoll in der urologischen Praxis ist sie beispielsweise in der Befundauswertung, Nachsorge, Nachfragen vor OPs, vor komplexen Therapien (Chemotherapie, Kinderwunsch etc.) oder bei Einnahmeempfehlungen von Medikamenten.

Nur so viel sei gesagt: Die Telemedizin wird das persönliche Arzt-Patienten-Gespräch nicht ersetzen, können, stellt aber eine gute Alternative zum gewohnten Praxisbesuch bzw. ergänzt das Beratungsangebot. Besonders in Corona-Zeiten nützt und schützt sie Patienten gleichermaßen. Aller Euphorie zum Trotz darf man nicht vergessen, über die Risiken zu diskutieren, etwa hinsichtlich des Datenschutzes. Außerdem müssen wir die Digitalisierung konsequent weiterdenken. Denn sie soll nicht nur zum Austausch und Ablegen von Daten dienen, sondern auch dem Informationsaustausch. Der Patient muss mit eingebunden werden.

Bleiben Sie gesund!
 
Mit herzlichen Grüßen

Ihr Dr. Axel Schroeder
Präsident Berufsverband der Deutschen Urologie e. V.