Ärztinnen und Ärzte machen weitere Nullrunden, die überbordende Bürokratie und die Einmischung in die Selbstverwaltung und Gefährdung der Freiberuflichkeit nicht mehr mit – dem Aktionstag am 18. August folgt der neue bundesweite Aktionstag am 2. Oktober 2023
Reform türmt sich auf Reform
Das Bundesministerium für Gesundheit unter der Führung Karl Lauterbachs zieht Reform um Reform aus dem Hut, jede für sich unausgegoren, nicht abgestimmt mit den Beteiligten und in der Regel unter der Missachtung niedergelassener Ärztinnen und Ärzte.
Praxen vor dem Kollaps: Geschlossener Protest von Ärzteschaft und Gesundheitsberufen
„Der ärztliche Arbeitsalltag wird zunehmend von Problemen dominiert, die nichts mit der Versorgung der Patienten zu tun haben, sondern immer aufs Neue die Konzeptlosigkeit der Gesundheitspolitik offenbaren“, so Dr. Axel Belusa, Vorstandsmitglied des Berufsverbands der Deutschen Urologie e.V. Die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten sind ein fatales Signal an den ärztlichen Nachwuchs. Ärztinnen und Ärzte brauchen dringend verlässliche Rahmenbedingungen und eine faire Vergütung, damit sich junge Kolleginnen und Kollegen noch für eine Tätigkeit in der Praxis entscheiden. Praxen, die heute schließen, werden morgen nicht mehr wiedereröffnen und fehlen in der Versorgung der Patientinnen und Patienten. Der BvDU kämpft weiter, dass sich die Gegebenheiten ändern, damit Nachwuchsmedizinerinnen und –mediziner ihre Perspektive auch in Zukunft in einer urologischen Praxis sehen können.
„Letztlich geht es um die Aufrechterhaltung der flächendeckenden, ambulanten und wohnortnahen medizinischen Versorgung der Patientinnen und Patienten“, so der BvDU-Vorstand. „Die Stimmung in der Ärzteschaft ist aktuell so schlecht, wie wir es nie zuvor erlebt haben.“ Aufgrund ständig neuer Gesetzgebungen kommt es darüber hinaus zu einer deutlichen Benachteiligung des ambulanten Sektors mit entsprechenden Folgen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Praxen in Deutschland arbeiten längst über dem Limit.
Sachkosten haben für die Aufrechterhaltung der Versorgung für die ambulanten Praxen enorm an Bedeutung gewonnen
Durch die Ausweitung der ambulanten Operationen (AOP) im Rahmen der Zielsetzung einer zunehmenden Ambulantisierung haben Sachkosten für die Aufrechterhaltung der Versorgung für die ambulanten Praxen enorm an Bedeutung gewonnen. Insbesondere bei der Therapie von Harnleitersteinen zeigt sich bei Harnleiterspiegelungen (Ureterorenoskopie, URS) bei Nieren- und Harnleitersteinen eine große Differenz zwischen der aktuellen Vergütung und den tatsächlichen Kosten, bedingt u.a. durch die deutliche technische Weiterentwicklung. Dies führt häufig zu defizitären Leistungserbringungen. Der Berufsverband weist darauf hin, dass es der Ordnungsgeber bislang versäumt hat, die Sachkosten mit in die Betrachtung der Vergütung und die Kostenübernahme einzubeziehen. Er wirkt in enger Abstimmung mit der DGU darauf ein, dass hier zeitnah eine Änderung erfolgt.
Kampfansage an ausschließlich investorenbetriebene MVZ
Angesichts der zunehmenden Insolvenzen bei Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) fordert
der Berufsverband den Gesetzgeber erneut dazu auf, eindeutige und klare Richtlinien für MVZ zu
definieren. Die Insolvenzen unterstützen die Position des Berufsverbands, ausschließlich investorenbetriebenen MVZ den Kampf anzusagen. Der Berufsverband fordert den Gesetzgeber erneut dazu auf, eindeutige und klare Richtlinien für MVZ zu definieren, wie eine
Begrenzung der Kreditaufnahme, die regionale Beschränkung von Praxiszukäufen oder die Etablierung eines Transparenzregisters. In einigen Regionen in Deutschland wurden durch Zukäufe bereits heute monopolartige Strukturen geschaffen. Insolvenzen könnten die Versorgung einer ganzen Region gefährden.
Die Aufkäufe machen die angespannte wirtschaftliche Lage der Praxen deutlich. „Praxen können aufgrund weiterer Nullrunden, verstärkt durch Inflation und dem Anstieg der Hygieneanforderungen und –kosten und behördlicher Einmischung in die Selbstverwaltung, zunehmend weniger wirtschaftlich betrieben werden“, so der BvDU-Vorstand. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, die ihre Patientinnen und Patienten zum Teil seit Jahrzehnten versorgen, können diese Situation nicht mehr lange tragen. Einige geben bereits jetzt auf und schließen ihre Praxen. Nachfolger für eine Praxis zu finden, ist in einigen Regionen bereits Glückssache bzw. zu wenig attraktiv für den Nachwuchs. Erschwerend hinzu kommen der Fachkräftemangel und die Tatsache, dass junge Ärztinnen und Ärzte zunehmend eine angestellte Tätigkeit anstreben, um mehr Zeit für die Familie oder Privates zu haben.
Vor diesem Hintergrund fordert der Berufsverband die leistungsgerechte Honorierung und Entbudgetierung für Ärztinnen und Ärzte. Die Forderungen wurden unter anderem in gemeinsamen Positionspapieren mit der Fachgesellschaft DGU zum Ambulanten Operieren und zur Zukunft der stationären urologischen Versorgung formuliert und adressiert.
Bei Einführung der Budgetierung vor über 30 Jahren wurde im Gegenzug die auskömmliche Finanzierung für Vertragsärztinnen und –ärzte zugesichert. Hintergrund dieser Entscheidung war damals der drohende Wegfall der vertragsärztlichen Vergütung, so sich angesichts des damals herrschenden Ärzteüberschusses alle Ärzte niederlassen sollten. Dies hat sich ins Gegenteil verkehrt. Die Aussage des Bundesgesundheitsministers „Es werde kein Ende der Budgetierung aller Fachgruppen geben“ wird auch vor diesem Hintergrund nicht hingenommen. Eine Nullrunde bei den kommenden Verhandlungen um den Orientierungswert wird nicht akzeptiert. Für Praxen muss es wieder möglich sein, ausschließlich mit dem Honorar für gesetzlich Versicherte ein Honorar zu erwirtschaften, das dem eines Oberarztes/einer Oberärztin entspricht.
Der BvDU kämpft weiter für die Sicherstellung ärztlicher und beruflicher Entscheidungsfreiheit in Klinik und Praxis. Die Freiberuflichkeit des ärztlichen Berufes muss erhalten und gestärkt werden und als konsequenter Gesellschaftsauftrag verstanden werden. Jedwede politische Einmischung in die ärztliche Selbstverwaltung muss konsequent unterbunden werden. Der Appell, zu handeln, bevor es endgültig zu spät und die ambulante Versorgung von Patientinnen und Patienten in weiterer Gefahr ist, wird an das Bundesministerium für Gesundheit und alle Akteure in der Gesundheitspolitik gerichtet.