In Deutschland wird die Bedeutung der Versorgungsforschung zunehmend erkannt. Sie ist neben der Grundlagen- und der klinischen Forschung notwendig, wenn es darum geht, die Gesundheitsversorgung mit Forschungsergebnissen zu verbessern. Die Auswertung von pseudonymisierten gesundheitlichen, sozioökonomischen und demographischen Daten spielt dabei eine zentrale Rolle. Häufig ist die Verknüpfung von Daten aus unterschiedlichen Bereichen dafür erforderlich. Zwar werden in Deutschland umfangreiche Daten hoher Qualität routinemäßig gesammelt. Allerdings können diese überwiegend nicht zusammengeführt werden, um zum Beispiel den Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Krankheiten und bestimmter Lebensumstände zu erkennen oder um Behandlungsverläufe für Patienten nachzuvollziehen, die Leistungen in mehreren Einrichtungen erhalten haben. Daher sind die Daten für Forschungszwecke – und damit zur Optimierung der medizinischen Versorgung – nur bedingt geeignet und eingeschränkt verfügbar.
Mit dem 2019 in Kraft getretenen Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) und der daraus folgenden Neufassung der Datentransparenzverordnung sollen die Routinedaten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Forschungszwecke besser nutzbar gemacht werden. So wird der Datenumfang erweitert, der Datenzugang soll verbessert werden. Die bisherige Datenaufbereitungsstelle wird dafür zu einem Forschungsdatenzentrum weiterentwickelt.
Aktuell beschränkt sich die Datennutzung auf die GKV
„Dieser erste Schritt ist zwar wichtig, aber er greift deutlich zu kurz, da sich die Datennutzung ausschließlich auf die GKV beschränkt. Was wir brauchen, ist ein größerer Datenumfang und eine Zusammenführung unterschiedlicher Datengrundlagen, um fundierter forschen zu können. Für die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten etwa, ist es von Bedeutung, die Effekte von Arzneimittelinnovationen und gesetzlichen Interventionen auf den Versorgungsalltag und das Versorgungsergebnis bewerten zu können. Insgesamt wollen wir durch ein verbessertes Datenfundament mit der Versorgungsforschung den in der medizinischen Versorgung Tätigen und der Politik konkrete Vorschläge vorlegen, wie die medizinische Versorgung für alle Patientinnen und Patienten weiter verbessert werden kann“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried.
Kann die Datengrundlage verbessert werden?
Vor diesem Hintergrund hat das Zi den Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Reinhard Busse beauftragt, in einer internationalen Vergleichsstudie zu untersuchen, wie die Datengrundlage in Deutschland verbessert werden könnte. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Datenumfang in anderen Ländern deutlich umfassender ist (z.B. in England, Australien, USA, Südkorea). Dabei werden beispielsweise Gesundheitsdaten mit Regionaldaten personenbezogen verknüpft oder Registerdaten und Informationen aus elektronischen Patientenakten eingebunden. So unterstützen die Daten die Kooperation in der medizinischen Versorgung und geben zusätzlich Forschern einen detaillierteren Einblick in das Versorgungsgeschehen, als dies über reine Abrechnungsdaten möglich ist. Insbesondere die in den Abrechnungsdaten fehlenden klinische Befunde helfen, Krankheitsverläufe besser analysieren zu können. Auch die Einbindung, nicht-medizinischer Faktoren (z.B. Umweltfaktoren) bietet Möglichkeiten, die in Deutschland bisher fehlen. Das sind die zentralen Ergebnisse der vergleichenden Studie „Internationale Datengrundlagen für die Versorgungsforschung – Impulse für Deutschland“, die das Zi heute in Berlin öffentlich vorgestellt hat.
„Der Blick auf andere Länder zeigt deutlich, was uns in Deutschland noch fehlt: Wir brauchen eine datenschutzkonforme Erweiterung des Datentransparenzpools im Sinne eines verknüpfbaren Datenbestandes von Daten aller Sozialversicherungsträger, klinischer Daten, Registern oder elektronischen Patientenakten“, betonte von Stillfried. „Der Gesetzgeber ist gut beraten, sich von den ausländischen Beispielen hinsichtlich der nächsten Ausbaustufen inspirieren zu lassen. Damit würde nicht nur die Versorgungsforschung eine verbesserte Arbeitsgrundlage erhalten, sondern letztlich auch die Versorgungsqualität in Deutschland profitieren“, forderte Busse.
Studie: „Internationale Datengrundlagen für die Versorgungsforschung – Impulse für Deutschland“:
Quelle: pi ZI, 25.09.2020