Wie fühlt sich der Patient nach Therapie seines Prostatakarzinoms?

Eine Hand hält die Buchstaben "info"

Im Zeitalter einer immer stärker nach Individualisierung strebenden Prostatakarzinom-Behandlung ist es auch immer wichtiger, die Lebensqualität der Patienten im Blick zu behalten. Deren Erfahrungen können sich nämlich sehr deutlich von den Erwartungen aus klinischen Studien unterscheiden. Prof. André Deschamps stellte hierzu auf dem EAU23 erstmals Ergebnisse der kombinierten EUPROMS-Studie vor, die sich auch auf die tägliche Praxis auswirken.

In der kombinierten EUPROMS-Studie wurde die Lebensqualität (QoL) von Prostatakarzinom-Patienten – gestaffelt nach angewandtem Therapieverfahren – untersucht. Hierzu füllten die Teilnehmer einen 20-minütigen Online-Fragebogen aus. Dieser war in 19 Sprachen verfügbar und basierte im Wesentlichen auf der Grundlage von EPIC-26, EORTC-QLQ und EQ-SD-SL.

„Insgesamt erhielten wir auf diese Weise 5.464 Antworten aus 27 europäischen Ländern. Dies entspricht ca. 0,25 % der schätzungsweise 2,4 Millionen Prostatakarzinom-Patienten in Europa“, fasste Prof. Deschamps die Ausgangssituation kurz zusammen.

Sexualfunktion und Kontinenz sind Männern wichtig, aber auch besonders stark betroffen

Über alle derzeitigen Therapieverfahren beim Prostatakarzinom hinweg, sind Kontinenz und Sexualfunktion am stärksten betroffen. Gleichzeitig ist der Erhalt dieser beiden Funktionen aber gerade für die Patienten besonders wichtig.

Prof. Deschamps stellte die Ergebnisse der Umfragen am Beispiel der radikalen Prostatektomie und der Strahlentherapie (Radiatio) im Vergleich zur aktiven Überwachung („Active surveillance“; AS) vor. Beide Verfahren reduzierten die Sexualfunktion gegenüber einer aktiven Überwachung um rund ein Drittel. Doch was bedeuten solche Statistiken am Ende aus Sicht der Männer?

„Für die Männer ist es wichtig, eine Erektion zu bekommen“, brachte Deschamps die Sichtweise der Patienten auf den Punkt. Während 58 % der Männer mit aktiver Überwachung eine gute Erektionsfähigkeit hatten, lag der Wert nach radikaler Prostatektomie oder Radiatio nur noch bei rund 20 %. In anderen Worten, erreichten 4 von 5 Patienten nach diesen beiden Verfahren keine aus ihrer Sicht ausreichende Erektion mehr.

Ebenso wichtig ist die Frage, ob Mann nach der Therapie noch immer einen Orgasmus erleben kann. 66 % der Männer unter aktiver Überwachung erreichten einen Orgasmus, im Vergleich dazu lag der Wert bei Männern nach radikaler Prostatektomie oder Radiatio zwischen 16 % und 50 %, wobei die Werte für die radikale Prostatektomie gegenüber der Radiatio im Trend etwas besser erschienen.

Insgesamt beurteilten 75 % der Männer ihre sexuelle Leistung(sfähigkeit) als gering, für jeden zweiten von ihnen war das auch ein Problem im Alltag. Auf der anderen Seite verwenden offenbar aber nur 32 % der betroffenen Männer mechanische oder medikamentöse Hilfsmittel, um die Sexualfunktion zu verbessern. Hier könnte es helfen, die möglichen Einschränkungen der Sexualität infolge einer Prostatakarzinom-Therapie vorab mit dem Patienten eingehender zu erörtern und geeignete Hilfsmittel zu besprechen.

Mit Blick auf eine Inkontinenz nach Therapie berichteten rund 35 % der Männer, dass sie Einlagen benutzten. Die Menge variierte dabei zwischen 1 Einlage am Tag und bis zu > 3 Einlagen pro Tag. 47 % der Männer nach radikaler Prostatektomie benutzten Einlagen, 17 % nach Radiatio.

Was heißt das für die tägliche Arbeit in der Praxis?

Das Erleben der Patienten nach Prostatakarzinom-Therapie kann von den Erwartungen aus klinischen Studien abweichen. Dies sollte mit den Patienten bereits im Vorhinein besprochen werden. „Ebenso wichtig ist es, die Nachsorge zu verbessern, diese auch zeitlich zu verlängern, und den Männern Hilfsmittel anzubieten, welche die Symptome und die möglichen Einschränkungen ihrer Lebensqualität verbessern können“, so Deschamps zum Abschluss.

Quelle: A. Deschamps. Game changing Session: „EUPROMS surveys: The real burden of PCa treatment“. 13.03.2023, EAU23, Mailand (Italien) in Ärztenachrichtendienst (änd)