Die Gewissheit, dass Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme der Welt hat, ist ins Wanken geraten – zumindest unter denen, die es betrifft: Nur noch 52 Prozent der Deutschen zählen ihr Gesundheitswesen zu den Top-3-Systemen der Welt. Dies geht aus einer repräsentativen Befragung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) hervor.
Gegenüber dem Vorjahr ist der Wert damit um fünf Prozentpunkte gesunken, gegenüber 2020 – zur Hochphase der Pandemie – sogar um 20 Prozent. Die Hoffnung, dass die geplanten Reformen im Gesundheitswesen daran etwas verändern können, ist nur schwach ausgeprägt: Lediglich acht Prozent der 1.000 befragten Bürger sind sehr zuversichtlich, dass die Reformen das Gesundheitswesen voranbringen werden; 25 Prozent bezeichnen sich als „eher zuversichtlich“.
Das Vertrauen der Deutschen in die Leistungs- und Reformkraft des Gesundheitssystem schwindet. Darin spiegelt sich die Unsicherheit in der deutschen Bevölkerung wider. Erfahrungen wie Engpässe in der Medikamentenversorgung, Fachkräftemangel und Ärztestreiks schüren die Unzufriedenheit. Auffällig ist, dass die Zuversicht unter jüngeren Menschen ausgeprägter ist als in der älteren Generation ab 55 Jahren. Offenkundig macht sich bei älteren Menschen eine Art Reformmüdigkeit bemerkbar.
Als größte Herausforderung gilt der Fachkräftemangel
Ein wesentlicher Faktor für die Unzufriedenheit könnte die Personalknappheit sein, die im Bewusstsein der Öffentlichkeit angekommen ist: Drei Viertel der Deutschen zählen den Fachkräftemangel zu den größten Herausforderungen des Gesundheitswesens – weit vor der Sicherung der Versorgungsqualität (51 Prozent) und vor Defiziten im ländlichen Raum (47 Prozent). Gegensteuern lässt sich aus Sicht der Bevölkerung nur dann, wenn die Rahmenbedingungen in der Branche verändert werden, etwa durch höhere Gehälter.
Die Zufriedenheit mit ärztlichen Behandlungen sinkt leicht
Personalknappheit und Zeitdruck machen sich auch in der Bewertung der ärztlichen Behandlungen bemerkbar. Die Zufriedenheit mit der Behandlungsqualität ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich leicht gesunken und liegt aktuell bei 35 Prozent (Vorjahr: 37 Prozent). Der wesentliche Kritikpunkt: Ärztinnen und Ärzte nehmen sich zu wenig Zeit, wie 40 Prozent bemängeln. Offenbar hat der Zeitdruck zugenommen, denn dieser Wert ist gegenüber dem Vorjahr um vier Prozentpunkte gestiegen. Weitere Kritikpunkte betreffen den Umgang mit den Patienten und die Öffnungszeiten der Praxen, die insbesondere Berufstätige bemängeln. Die Akzeptanz von telemedizinischen Sprechstunden steigt hingegen: 72 Prozent würden sich den Weg zum Arzt gerne sparen und 57 Prozent würden auf jeden Fall Video-Sprechstunden nutzen.
Wertung von Krankenhäusern auf Vor-Pandemie-Niveau
Die Zufriedenheit mit der Krankenhausversorgung hingegen hat sich gegenüber dem Vorjahr minimal verbessern können und liegt aktuell bei 52 Prozent (Vorjahr: 51 Prozent). Damit haben sich die Werte wieder auf das Niveau vor der Covid19-Pandemie eingependelt. Mit der bevorstehenden Krankenhausreform wird auch eine stärkere Spezialisierung der Krankenhauslandschaft verbunden sein. Das ist ein Teil der Reform, den die Bürger offenbar unterstützen. So wären 77 Prozent bereit, für einen komplexen oder aufwändigen Eingriff weite Strecken in Kauf zu nehmen.
Hohe Anerkennung für die Arbeit der Krankenkassen
Hohe Zufriedenheitswerte bringen die Bürger laut Umfrage den Krankenkassen entgegen. Diese können sich wie im Vorjahr mit 87 Prozent Zustimmung behaupten. Ähnlich viele Befragte bestätigen mit 83 Prozent, dass ihnen alle wichtigen Leistungen gewährt werden. Ebenso ist das Vertrauen in die Transformationskraft von Krankenkassen vergleichsweise hoch – mehr als die Hälfte halten sie in puncto Digitalisierung und Innovation für fortschrittlich.
Pharmabranche kann ihren Image-Gewinn verteidigen
Ebenso wie die Krankenhäuser konnte auch die Pharmaindustrie während der Pandemiezeit einen Imagegewinn verbuchen. Ihr ist es gelungen, diesen Zuwachs zu halten: 31 Prozent bewerten sie als innovative Unternehmen, die einen Beitrag zur Heilung von Krankheiten leisten. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 lag dieser Wert bei 19 Prozent. Die Erwartung an weitere Innovationen ist hoch – so erwarten 59 Prozent, dass die Unternehmen neue Medikamente entwickeln. Eine wichtige Rolle spielt auch die Herkunft der Produkte: 57 Prozent wünschen sich eine Produktion innerhalb Europas.
Große Bereitschaft, Gesundheitsdaten zu teilen
Ein Zukunftsfeld für Forschung und Entwicklung in der Gesundheitsbranche liegt im Einsatz von Daten. Das unterstützen die Bürger mehrheitlich: Acht von zehn wären bereit, persönliche Informationen zu teilen. Die Hälfte wünscht sich dazu aber eine Gegenleistung in Form eines Mehrwerts oder Entgelts. Den Datenschutz halten nur sechs Prozent für eine Herausforderung.
Eng verknüpft mit dem Datenschutz ist die elektronische Patientenakte (ePa). Beim ab 2025 geltenden Opt-Out-Verfahren, bei dem die Versicherten einer Nutzung ihrer Daten aktiv widersprechen müssen, herrschen allerdings noch Zweifel: Bisher unterstützen nur 35 Prozent das Verfahren uneingeschränkt.
Quellen: Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), Ärztenachrichtendienst (änd)