Hygiene – Herausforderung für alle Urologen

Höchstes Gebot: die Patientensicherheit

Die Anforderungen an die Hygiene sind für Praxis und Krankenhaus steigend und stellen eine zunehmende Herausforderung an Praxis- und Klinikalltag dar. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig hygienische Maßnahmen in allen Bereichen sind, die Medizin stellt hier keine Ausnahme dar.

Offensiver Umgang mit den Anforderungen an die Hygienemaßnahmen, Diskussion mit allen Beteiligten auf Augenhöhe, Durchsetzen einer flächendeckend gleichen guten Hygiene auf höchstem Niveau muss der Anspruch aller Urologen sein. Die Gegenfinanzierung der erforderlichen Maßnahme gehört in der Diskussion ebenso dazu, wie die Beteiligung an der Entscheidungsfindung und Vermeidung von überbordenden Maßnahmen. Höchstes Gebot aller Beteiligten sollte die Patientensicherheit sein. Hierzu gehört auch die wirklichkeitsnahe Darstellung der Versorgungsrealität.

Wir Urologen sollten uns der Herausforderung stellen, Hygiene auf diesem hohen Niveau aufrecht zu erhalten.

Wird die Umsetzung von Hygienemaßnahmen durch zahlreiche Gesetze, Rechtsvorschriften, KRINKO-Empfehlungen, DIN-EN Normen etc. geregelt, so gilt es deren Erstellung, Überwachung und Umsetzung durch die Begehungsbehörden zu begleiten und kritisch zu hinterfragen.

Qualitätsmanagement mit Hygieneplan, Reinigungsplan, Erstellung standardisierter Arbeitsanweisungen, Sachkundekurse für MFA´s und Ärzte (HBA), Surveillance nosokomialer Infektion, Standardisierung und Validierung von Aufbereitungsprozessen, zunehmende Anforderungen an Equipment und Ausstattung sind nur die Kernpunkte der Hygiene.

Geht man davon aus, dass die EBM-2008 Berechnungsgrundlage nach Arztleistung (AL) und technischer Leistung (TL) seinerzeit korrekt berechnet wurde, so werden die in zunehmendem Maße erforderlichen, zumeist sinnvollen und berechtigt steigenden Anforderungen an die Hygiene in allen Belangen – angefangen von der Hände-Hygiene bis hin zur Aufbereitung von Medizinprodukten – nicht gegenfinanziert. Dieses wird unweigerlich zu Defiziten in der Hygiene oder nicht Erbringbarkeit von medizinisch notwendigen Leistungen führen – beides zu Lasten der Patienten.

Vermeidung nosokomialer Infektionen (KRINKO 2018)

Die Einteilung der Operationen nach der Gesamt-Risikostruktur der anstehenden Operation, patientenindividuellen Faktoren und Beachtung des Gesamtspektrums der operierenden Einheit ist zu begrüßen. Eine Unterscheidung nach ambulanten oder stationären Operationen erscheint aus infektionshygienischer Sicht nicht mehr zeitgemäß.

Es wird nach Surgical-Site-Infecition (SSI) Risiko in normales Risiko, niedriges Risiko und sehr niedriges Risiko für Operationen unterschieden. Hieran knüpfen sich die zu erfüllenden Anforderungen und Voraussetzungen für das operierende Zentrum. Zu kritisieren ist das Fehlen von Vorgaben für die Risikoeinteilung der Operationen. Dieses wird den Krankenhäusern / Praxen / ambulanten OP-Zentren selber überlassen. Vergleich mit Daten aus dem nationalen Referenzzentrum (NRZ) sollen herangezogen werden. Die Betreuung durch einen Krankenhaushygieniker ist benannt und wird als erforderlich angesehen, ist aber insbesondere für kleinere Operationseinheiten nicht umsetzbar. Eine Schließung der Lücke wäre durch Vorgaben des Berufsverbandes (BvDU) in Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Gesellschaft (DGU) unter Verwendung von Versorgungsdaten für die Urologie denkbar.

Surveillance von Hygiene-Maßnahmen

Diese findet in der Qualitätssicherung Anwendung und ist in Krankenhäusern bereits flächendeckend etabliert. Im ambulanten Sektor fehlen derzeit noch die Arbeitsinstrumente um die Überwachung von Infektionen nach operativen Maßnahmen zu dokumentieren und somit auch das Infektionsgeschehen beeinflussen zu können. Die Arbeitsgemeinschaft der KBV zur sektorübergreifenden Qualitätssicherung (sQS) soll Vorschläge erarbeiten, diese Lücke zu schließen. Ob der GBA und das IQTIC dann diesen Vorschlägen folgt, bleibt abzuwarten.

Infektionen im Rahmen von fehlender oder falscher Hygiene werden von den Betreibern oft als endemisch und schicksalhaft angesehen, da sie eher selten sind. Surveillance und Vergleich mit anderen Institutionen kann die Qualität deutlich verbessern und wird zunehmend gefordert werden. Benchmarking ist in den Krankenhäusern mit dem KISS-System etabliert. Die Praxen haben hier Nachholbedarf.

Validierung der Aufbereitungsprozesse

Neben den allgemeinen Anforderungen an die Aufbereitung von Medizinprodukten, deren Grundsätze in der KRINKO-Empfehlung 2012 („Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“) festgelegt und durch zahlreiche weitere Gesetze und Vorschriften geregelt werden, rückt derzeit die Validierung dieser Aufbereitungsprozesse zunehmend in den Vordergrund. Eine Nachvollziehbarkeit und standardisiert, reproduzierbar gleichbleibend gute Aufbereitung der Medizinprodukte erscheint sinnvoll. Nach Gesetzeslage sind hierfür qualifizierte Validierer erforderlich, eine Anforderung bei denen sich insbesondere kleine OP-Einheiten schwertun. So bietet diese Gesetzesanforderung doch eine Spielwiese für zahlreiche seriöse und weniger seriöse Anbieter. Neben Installations- und Betriebsqualifizierung für die aufbereitenden Einheiten sind Leistungsnachweise durch u.a. mikrobiologische Analysen und Restproteinbestimmung erforderlich. Die Umsetzung der Validierung stellt für die OP- Einheiten eine erhebliche zeitliche, personelle und finanzielle Belastung dar.

Aufgabe des Berufsverbandes sollte es sein, die OP-Zentren bei der Validierung zu unterstützen, die Prozesse für die Validierung zu harmonisieren und die OP-Zentren vor überbordenden Maßnahmen zur Umsetzung zu schützen.

Berufspolitische Aufstellung und existente Beteiligung zur Verbesserung der Qualität in der Hygiene

Der BvDU ist bereits in zahlreichen Gremien bezüglich der Hygiene eingebunden und wird im Rahmen seiner Möglichkeiten Einfluss nehmen:

  • Ambulantes Operieren: trilaterale Verhandlungen zwischen KBV / DKG und GKV-SV

    „Ambulant vor Stationär“ wird zu weiterer Ausweitung des ambulanten OP-Katalogs führen. Hier gilt es eine adäquate Abbildung des Aufwandes einzubringen. Die Hygienekosten gehören genauso dazu wie Sach-, Personal und Vorhaltekosten. Der Berufsverband ist derzeit für den ambulanten Sektor über die KBV, die DGU für den stationären Sektor über die DKG im Boot. Eine interne Harmonisierung der Bedürfnisse zwischen den beiden Sektoren wurde bereits angeregt.
  • AG Hygiene & AG Ambulantes Operieren im SpiFa

    Im Spitzenverband der Fachärzte finden multilaterale Gespräche mit zahlreichen Fachdisziplinen statt. Die Ärzteschaft scheint verstanden zu haben, dass nur gemeinsame Diskussion über die Fachgrenzen hinweg mit Aufstellung einer klaren Linie Beachtung finden wird. Der BvDU wird hier seinen Teil beitragen.
  • sQS (sektorübergreifende Qualitätssicherung)

    Neben allgemeinen Maßnahmen zur Qualitätssicherung ist gerade die Hygiene im Focus der QS. Die sQS-WI (Wundinfektion) aus dem Jahr 2019 hat gezeigt, welche unsinnigen Auswüchse eine Qualitätssicherung annehmen kann. Der BvDU ist in der Diskussion um weitere Maßnahmen mit der KBV beteiligt. Die Umsetzung erfolgt jedoch über IQTIC und GBA, welche den Vorstellungen der KBV nicht immer entsprechen.

Hygienekampagne 2.0

Protestaktionen gegen Verweigerungshaltung der Krankenkassen bezüglich der Finanzierung der Hygieneanforderung sind unabdingbar. Reaktionen und Rückmeldungen zur 2. Hygienekampagne aus Gesundheitsministerien und Krankenkassen an den BvDU haben gezeigt, wie wenig Interesse und Verständnis bei diesen Gremien vorliegen. Das Grundinteresse der Ärzteschaft an einer hervorragenden Medizin und Hygiene wird durch Negierung der Anforderungen konterkariert. Impfzentren wurden für Milliarden aus dem Boden gestampft, auf eine Unterstützung schon allein der gestiegenen Materialkosten für die Hygiene wartet die Ärzteschaft vergebens.

Die Medizin muss wieder als das wahrgenommen werden, was sie ist: Erhaltung des höchsten Gutes – der Gesundheit – und darf nicht als selbstverständlich zwischen Partikularinteressen verschachert werden.

Dr. Peter Kollenbach
2. Vizepräsident des BvDU