Das Bundesgesundheitsministerium stellte seine Digitalisierungsstrategie erstmals öffentlich vor und verteidigte seine digitalpolitischen Projekte und Pläne vor dem Digital-Ausschuss des Bundestags
Lauterbach hob vor dem Ausschuss die Bedeutung der elektronischen Patientenakte hervor: „Diese sei das Kernelement, um die Versorgung zu verbessern“ und verwies auf die Vorteile der Elektronischen Patienten-Akte ePA: So seien die Befunde der Patienten jederzeit an einem Platz verfügbar. Man wolle das Vorgehen für den Patienten möglichst sicher und einfach machen. So wolle man sicherstellen, dass bestimmte Befunde gar nicht erst in der Akte auftauchen, wenn der Patient dies wünscht. „Der Patient behält zu jederzeit die Hoheit und die Rechte über seine Akte“, sagte Lauterbach am Mittwochnachmittag während einer rund einstündigen öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Digitales.
Aktuell habe der Patient keine Eigentumsrechte an seinen Gesundheitsdaten. „Der Patient ist dann erstmals Herr seiner Daten“, sagte Lauterbach. Um möglichst schnell strukturierte, standardisierte Daten in die Akte hineinzubringen, wolle man mit einer Art Kurzakte starten. Anfangs wolle man auch pdf-Formate zulassen.
Optout-Lösung
Die Optout-Lösung sei von zentraler Bedeutung, um zu einer flächendeckenden Nutzung der Akte zu kommen. Er kündigte eine für den Patienten möglichst einfache Lösung an. „Wir wollen uns da jetzt nach vorne arbeiten.“ Dazu müsse man den Menschen die Vorteile der Akte erklären, sagte Lauterbach. Er kündigte eine Informationskampagne an und betonte: „Wir werden ehrlich sein und die Leute überzeugen.“ Ohne die Akte habe man eine schlechtere Versorgung.
Etwaige unbefugte Zugriffe würden in der Akte protokolliert und könnten so nachvollzogen und strafrechtlich verfolgt werden. Dies könne und wolle er im Einzelfall nicht ausschließen. Für einen Arzt aber, der sich unbefugt Zugriff auf Daten seiner Patienten verschaffe, würde dies gravierende berufsrechtliche Konsequenzen haben, betonte Lauterbach. „Wir werden die ePA mit allen Sicherheitsvorkehrungen ausstatten, die notwendig sind“, versprach Lauterbach. „Wir kommen am Ende zu einer Lösung, die die Datenschützer überzeugen wird.“
Entmachtung des Bundesdatenschützers durch Wegfall des Vetorechtes?
Das notwendige Einvernehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und dem Bundesdatenschutzbeauftragten über die geplanten Zugriffsregeln auf die ePA liege noch nicht vor, man sei aber in „guten Gesprächen“. Lauterbachs Digitalstrategie sieht vor, diese Einvernehmensregel in eine reine Benehmensregel umzuwandeln. Damit würde das Vetorecht des Bundesdatenschützers entfallen. Kritiker sprechen hier von einer Entmachtung des Bundesdatenschützers.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Kelber lehnt die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums zum Datenschutz bei der gematik strikt ab. Er plädiert für ein Forschungsdatengesetz noch in diesem Jahr und eine frühere Einbindung bei Digitalisierungsprojekten.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte warnte vor weiteren Verzögerungen bei der Digitalisierung, wenn vor der Umsetzung neuer Lösungen kein Einvernehmen hergestellt werde, weil dann nachträglich Datensicherheit gewährleistet werden müsse. Das habe hohe Unsicherheiten für alle Beteiligten zur Folge. Auch die geplante erweiterte Datenschutzaufsicht in einem Beratergremium der verstaatlichten gematik sei dafür keine Lösung. „Für die Fragestellungen, die der BfDI und das BSI bearbeiten könnten weitere Vertreter aus dem Gesundheitsbereich keine Expertise einbringen“, sagte Kelber. Zu vielen Vorschlägen sei jedoch noch keine konkrete Ausgestaltung bekannt.
Gegen die Opt Out-ePA erhebt Kelber datenschutzrechtlich keine grundlegenden Einwände. Diese Lösung berge aber die Gefahr, dass Vertrauen verloren geht, weil in der Vergangenheit ein Opt In versprochen worden sei. An der bestehenden ePA kritisiert Kelber nach wie vor, dass diejenigen, die kein Smartphone oder Tablet haben, nach wie vor keine vollen Einsichts- und Kontrollrechte für ihre Patientendaten hätten. Das hatte der BfDI mit Weisungen von den Krankenkassen eingefordert. Gegen diese Weisungen laufen etliche Klagen von Kassen „unter dem Einsatz von Versichertengeldern“, wie Kelber sagte.
Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung
Auch die Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung verteidigte Lauterbach. Hier sei Deutschland ein Entwicklungsland. Die Daten wolle man dezentral lagern. Man wolle damit Dinge ermöglichen, „die wir in Deutschland dringend brauchen“. Dabei arbeite man auch an Sicherheitslösungen. Dafür lasse er sich persönlich von Praktikern beraten, betonte der Minister.
Aktuell stehe man vor Datensilos, wie Krankenkassendaten oder Daten aus dem Krebsregister. Diese Daten aber ließen sich nicht miteinander verknüpfen. Dies wolle man mit pseudonymisierten Daten ändern und „zusammenführbar machen“. Lauterbach kündigte an, schon bald entsprechende Gesetzentwürfe vorzulegen.
Hier wünscht sich auch der Bundesdatenschutzbeauftragte mehr Tempo bei der Digitalisierung im Gesundheitssystem. Kelber hofft, dass noch in diesem Jahr ein Forschungsdatennutzungsgesetz kommt. Ein solches Gesetz habe die Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern erstmalig 2004 empfohlen. „Wir hoffen, dass es vor dem 20. Jahrestag kommt.“ Die Chance sei nun da. Kelber lehnt auch die Pläne nicht ab, dass dabei einer Landesdatenschutzbehörde die Federführung übertragen werden soll. Es müsse dann aber gewährleistet sein, dass diese personell in der Lage sei, das zu bearbeiten, gab er zu bedenken.
„Wir sind große Fans der Digitalisierung im Gesundheitssystem“, sagte der BfDI. „Es geht darum, dass man nicht aus scheinbaren Komfortgründen auf grundlegenden Datenschutz und Datensicherheit verzichten darf“, stellte er klar. Das sei der Grund gewesen, weswegen er im vergangenen Jahr sein Einverständnis zum eRezept verweigert habe. Der BfDI bremse jedoch nicht nur. „Wir haben Vorschläge gemacht, wie funktionsgleich und komfortgleich die Lösung datenschutzkonform umgesetzt werden könnte.“ Diese Vorschläge würden nun umgesetzt.
Quelle: Ärztenachrichtendienst (änd)