Die Kritik aus der Ärzteschaft an Lauterbachs Spargesetz reißt nicht ab

Pressemitteilung, 22. Juli 2022

„Wo bleibt der eigene Beitrag der Gesetzlichen Krankenkassen zur GKV-Finanzierung?“

Völlig außen vor in der Debatte um das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz bleibt, wie die Krankenkassen selbst einen angemessenen Beitrag zu Kosteneinsparungen leisten.

Wie berichtet, will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das 17-Miliarden-Loch in den Finanzen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ohne einschneidende Sparmaßnahmen bei den Leistungserbringern flicken. Unter anderem durch Streichen der Neupatienten-Vergütung, die im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) erst im Jahr 2019 geregelt wurde.

„Es kann nicht sein, dass regelmäßig nur die Leistungsseite in den Blick genommen wird, hier insbesondere Ärztinnen und Ärzte“, so BvDU-Präsidentin Catrin Steiniger. Die Vorwürfe der Gesetzlichen Krankenkassen weist der Berufsverband der Deutschen Urologie (BvDU) ausdrücklich zurück. Diese hatten empört auf die Warnung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und Berufsverbänden, wie dem BvDU, reagiert, dass sich Patienten in Folge der Gesetzesänderung neben höheren Beiträgen auch auf weniger Leistung einstellen müssten. „In dieser angespannten Situation, in der die Praxen derzeit stehen, sei damit zu rechnen, dass es bei Wegfall der Neupatientenregelung längere Wartezeiten auf Termine geben wird“, heißt es in der Resolution. Das sei zwangsläufig die Folge, wenn bei steigenden Kosten durch Inflation und höhere Löhne in den Praxen den Ärzten das Honorar gekürzt würde.

Fehlende Transparenz und Kostenbewusstsein bei den Gesetzlichen Krankenkassen

„Für Kostenstrukturen der Krankenkassen für Versicherte und Behandelnde fehlt die Transparenz und das Kostenbewusstsein“, so die Pressesprecherin des BvDU, Frau Dr. Sulafah El-Khadra. „Die gesetzlichen Krankenkassen haben ihre jährlichen Ausgaben in den vergangenen zehn Jahren um rund 100 Millionen Euro erhöht. Die Einnahmen aus dem Gesundheitsfonds sind aber nur um gut 60 Millionen Euro gestiegen. Da ist es höchste Zeit zu schauen, welche Ausgaben wirklich sinnvoll sind“, sagte hierzu auch der Präsident der Ärztekammer Hamburg (ÄKHH), Dr. Pedram Emam. „Aufräumen statt Beiträge aufstocken – das sollte die Devise der Kassen für die anstehenden Beratungen zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sein“.

Ärztinnen und Ärzte leisten seit Jahrzehnten ihren Solidarbeitrag zur Gesetzlichen Krankenkasse

Seit 30 Jahren erbringen Fachärztinnen und Fachärzte in Deutschland Leistungen, die budgetiert sind. Dabei handelt es sich um einen Zwangsrabatt, bei dem ca. 13 % aller ärztlichen Leistungen nicht vergütet werden (bundesweiter Durchschnitt). Ärztinnen und Ärzte, die mehr leisten, werden durch eine Abstaffelung beim Honorar bestraft. Das TSVG und die darin enthaltene Neupatientenregelung wurde erlassen, um (zeitlich aufwändigere) Neupatientinnen und –patienten, Hausarztvermittlungsfälle oder Patientinnen und Patienten aus der Terminservicestelle vollumfänglich zu vergüten. Damit wurden ärztliche Leistungen für neue Patienten erstmals zu 100% von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt, ohne den oben angesprochenen Zwangsrabatt. Im Gegenzug wurden Vertragsärztinnen und -ärzte verpflichtet, 25 statt 20 Sprechstunden pro Woche für GKV-Patienten anzubieten, was erhebliche Umstellungen in der Praxisorganisation erforderlich machte.

Die Gesamtsumme der in Deutschland in den letzten 30 Jahren erbrachter und nicht vergüteter fachärztlicher Leistungen beläuft sich laut dem Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) auf eine Summe von 100 Milliarden Euro. „Fachärztinnen und Fachärzte leisten so seit Jahrzehnten ihren Solidarbeitrag zur Gesetzlichen Krankenversicherung“, so der Berufsverband.

Gleichzeitig lässt die Reform der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) weiter auf sich warten. Seit 30 Jahren werden alle Leistungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherungen auf Grundlage einer völlig veralteten GOÄ erbracht, die in keiner Weise die tatsächlichen aktuellen Aufwendungen seitens der Ärztinnen und Ärzte widerspiegelt. Die Liste an Leistungen, die diesen nicht angemessen vergütet wird, lässt sich beliebig fortsetzen, unter anderem mit gestiegenen Hygienekosten, die nicht gegenfinanziert werden.

„Die geplante Streichung der extrabudgetären Vergütung für Neupatienten würde nur einen sehr geringen Anteil des Defizits der Kassen ausgleichen, aber die Versorgungslage dramatisch verschlechtern“, so die Präsidentin des Berufsverbands, Catrin Steiniger. „Wir warnen erneut vor einer Umsetzung des Gesetzes.“