Fast wie Weihnachten: Wünsche an eine neue Bundesregierung nach der Wahl
Nach den Wahlen begann das Rennen um den medienwirksamsten Auftritt außerhalb einer neuen Regierungsbildung. Aus Sicht des BvDU geht der Sieg an die Techniker Krankenkasse (TK) für ihre Forderungen zu Patientensteuerung und Terminvergabe. Sie entbehren jeglicher rechtlicher Grundlage, sind ein Affront gegen die freiberufliche Ärzteschaft und sind so fernab jeder Versorgungsrealität, dass Ärztinnen und Ärzte das im Hause der TK entstandene sechsseitige Papier auch nicht im Karneval oder Fasching bzw. Fastnacht verdaut bekommen.
Rechtswidriger Eingriff in die Freiberuflichkeit der Ärztinnen und Ärzte
„Die TK missbraucht die Notwendigkeit einer Patientensteuerung, mit der die Gesundheitsversorgung in Deutschland auch in Zukunft mit den vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen erhalten werden kann, für einen rechtswidrigen Eingriff in die Freiberuflichkeit der Ärztinnen und Ärzte“, so Dr. Axel Belusa, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Urologie.
Nach Vorstellung der TK ist die Lösung für eine Patientensteuerung, dass Patientinnen und Patienten, die einen Arzt aufsuchen wollen, in Zukunft im Regelfall zuerst ein digitales Ersteinschätzungstool nutzen, mit dessen Hilfe sie in die geeignete Versorgungsstufe gesteuert werden gemäß dem Grundsatz „digital vor ambulant vor stationär“. Bei nicht dringlichem Behandlungsbedarf sollen Patientinnen und Patienten in das digital gestützte Selbstversorgungsmanagement, wie DiGAs, KI-gestützte Tools oder telemedizinische Angebote überführt werden. Reichten digitale Selbstversorgung oder delegationsfähige Versorgungsmodelle nicht aus, würde primär ein Termin beim Hausarzt oder der Hausärztin vermittelt.
Fachärztliche Weiterbehandlungen erforderten eine Überweisung und würden nach Willen der TK durch das Terminserviceinstrument vermittelt. Für dieses sollen Vertragsärztinnen und -ärzte verpflichtend und tagesaktuell einen bestimmten Prozentsatz ihrer Behandlungskapazitäten melden. Der TK schweben dabei zehn Prozent des Regelleistungsvolumens vor.
Eingriff in Terminmanagement der Ärzteschaft ohne gesetzlichen Auftrag
Nach Vorstellung der TK sollen die Krankenkassen darüber hinaus eine aktive Rolle bei der Begleitung, Beratung und bei Empfehlungen zum Terminmanagement bekommen. „Dadurch könne der Anspruch der Versicherten auf ein Versorgungsmanagement besser als bisher umgesetzt werden und bedeute zugleich, die Leistungen der Terminservice-Plattform (digital) kassenindividuell ausspielen zu können, um so die Versicherten bei der Terminfindung optimal zu unterstützen“, so die TK.
„Die grundsätzlich gute Idee der TK „digital vor ambulant vor stationär“ wird seitens der TK missbräuchlich genutzt, um den Krankenkassen die Möglichkeit zu geben, selbst steuernd einzugreifen, ohne dafür den entsprechenden gesetzlichen Auftrag zu haben“, empört sich der BvDU-Vorstand.
Die generellen Schuldigen für das Versagen der Umgestaltung der Versorgung in Zeiten finanzieller und personeller Engpässe sind bei der TK schnell ausgemacht: die Ärzteschaft ist es, wer sonst. Die Politik oder weitere Beteiligte, wie gesetzliche Kassen? Aber nein! Sie sind die Guten, die nur das Wohl ihrer Versicherten im Blick haben. – Fast wie aus dem Wahlprospekt klingt die TK-Forderung: „Wir wollen, dass Menschen, die dringende oder umfangreiche medizinische Betreuung im Rahmen der Regelversorgung benötigen, diese auch sicher und schnell genug erhalten.“
Der BvDU ist fassungslos angesichts dieses eklatanten Eingriffs in die Freiberuflichkeit seitens einer gesetzlichen Krankenkasse und weist diesen aufs Entschiedenste zurück. „Die Position der TK macht darüber hinaus deutlich, wie gesetzliche Kassen den Leistungsempfang für die Versicherten gewichten im Gegensatz zu denjenigen, die die Leistung erbringen, also Ärztinnen und Ärzten“, so Dr. Belusa. „Gepaart mit dem gebetsmühlenartig beschworenen Vorwurf des Pakts des Bösen zwischen Arzt und Privatpatient zeigt, wie weit diese von der Versorgungsrealität der Ärztinnen und Ärzte entfernt ist.“
Die Terminvermittlung löst das grundsätzliche Problem nicht. „Sie löst weder die Zahl der Patienten (sie werden demografisch mehr) oder die Zahl der Patientenkontakte (sie werden mehr), noch die Zahl der Ärztinnen und Ärzte (sie werden demographisch weniger) oder die Zahl des Medizinischen Fachpersonals (es wird weniger)“, so Dr. Axel Belusa, Präsident des Berufsverbands der Deutschen Urologie.
Versicherungen stocken laufend Personal auf – auf Kosten der Solidargemeinschaft – Ärztinnen und Ärzte können dies nicht. Ärztinnen und Ärzte sind nicht schuld an Budgetierungen oder fehlenden Studienplätzen. An was sie schuld sind? Und auch noch stolz darauf? An der Demografie und daran, dass wir es gemeinsam mit allen in Gesundheitsberufen Tätigen schaffen, so viele Menschen wie möglich so lange gesund und am Leben zu erhalten.
„Was wir brauchen, sind mehr Studienplätze (staatliche – zusätzlich zu den privaten), Anreize für freiwillige Mehrarbeit, Instrumente, um die Patientensteuerung zu administrieren und Instrumente, die es der Ärzteschaft ermöglichen, mit heilem Kopf und Körper ein Arbeitsleben zu überstehen, zum Wohle der Patientinnen und Patienten“, verdeutlicht der BvDU-Vorstand weiter.
„Vielleicht sollten sich nach den Wahlen alle wieder einmal das Thema Freiberuflichkeit, freie Niederlassung bis hin zu ärztlicher Selbstverwaltung zu Gemüte führen. Jede Ärztin und jeder Arzt gehört sich selbst. Nicht den Kassen, nicht dem BMG und nicht den Patienten. Jede Ärztin und jeder Arzt hat einen Vertrag zur Leistungserbringung mit der vertraglichen Regelung von 25 Pflichtstunden. Alles Weitere ist Privatsache des Arztes oder der Ärztin.“