Fast wie im Happy End muten die Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ der Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD an: „Wir wollen eine gute, bedarfsgerechte und bezahlbare medizinische und pflegerische Versorgung für die Menschen im ganzen Land sichern. Dafür wagen wir tiefgreifende strukturelle Reformen, stabilisieren die Beiträge, sorgen für einen schnelleren Zugang zu Terminen und verbessern die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Gesundheitswesen.“
Die Inhalte des Papiers wurden beim SpiFa-Fachärztetag Ende letzter Woche intensiv diskutiert
Endlich sollen die Beiträge für Bürgergeldversicherte nicht mehr bedarfsfremd zu Lasten der GKV-Finanzen gehen, sondern aus Steuermitteln finanziert werden. Der Berufsverband ist erleichtert, dass diese von ihm benannte Forderung den Weg ins Koalitionspapier gefunden hat und wird aufmerksam beobachten, dass die Umsetzung endlich erfolgt.
Grundvoraussetzung der neuen Gesundheitspolitik soll sein die Stärkung der Gesundheit als Basis. Erreicht werden soll dies unter anderem durch Prävention. Explizit benannt wird im Rahmen der „geschlechts- und diversitätssensiblen medizinischen Vorsorge und Behandlung“ Prostatakrebs.
Eckpfeiler für eine Stärkung der Gesundheit ist die Verbesserung der ambulanten Versorgung. Erzielt werden soll dies durch ein verbindliches Primärarztsystem, bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte, ergänzt durch spezifische Lösungen einer Betreuung durch den erforderlichen Facharzt für chronisch Erkrankte.
Der BvDU begrüßt, dass die notwendige Patientensteuerung Eingang in die Koalitionsverhandlungen fand und betrachtet den vorliegenden Vorschlag als ersten Ansatz, der weiterer Überarbeitung und konkreter Ausgestaltung bedarf. Die Position des Berufsverbands fand sich wieder in der Diskussion von Fachärztinnen und Fachärzten beim SpiFa-Fachärztetag und der Überzeugung des SpiFa-Vorsitzenden Dr. Dirk Heinrich: „Fachärztinnen und Fachärzte behandeln jährlich 112 Millionen Arztfälle ohne Überweisung. Müssten diese Patientinnen und Patienten zunächst eine Hausarztpraxis aufsuchen, bedeute dies 2.500 Fälle zusätzlich für jede Hausärztin und jeden Hausarzt“.
Aus Sicht des BvDU sollten in ein Primärarztsystem grundversorgende Fachärztinnen und Fachärzte eingebunden sein, alleine, um Hausärzte zu entlasten. Man könnte aus funktionierenden Systemen in Baden-Württemberg lernen, wo Haus- und Fachärzte die Versorgung von Patienten auf Grundlage konkreter Verträge bestmöglich realisieren. „Ausnahmen für die Augenheilkunde und die Gynäkologie wurden bereits im Papier genannt, nun müssen weitere fachärztliche Gruppen folgen, die die Grundversorgung von Patientinnen und Patienten gewährleisten“, so Dr. Axel Belusa, Präsident des Berufsverbands. Gerade im Rahmen der im Papier als Eckpfeiler benannten Vorsorge sind Urologinnen und Urologen maßgeblich für die Früherkennung und Vorsorge bei Männern. „Wenn Männern der direkte Weg zum Urologen genommen wird, wäre die Hürde, zur Vorsorge zu gehen, erneut höher mit der möglichen Folge zunehmender Erkrankungen.“
Auch die Hybrid-DRG soll weiter ausgebaut und das System der belegärztlichen Versorgung, wie vom BvDU gefordert, erhalten und verbessert werden.
Das „Wie“ oder „tiefgreifende strukturelle Reformen“ erkennt der Berufsverband der Deutschen Urologie (BvDU) im Papier bisher nur in Nuancen. Damit das von Marcel Reich-Ranicki im Literarischen Quartett zitierte „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen“ nicht eintrifft, muss aus Sicht des BvDU weiter um die beste Lösung gerungen werden und Greifbares und Konkretes folgen.