… als Folge der Streichung der Neupatientenvergütung im Rahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes und steigender Ausgaben
Die Streichung der extrabudgetären Vergütung von Neupatienten ist vom Bundestag beschlossen. In der noch bis Ende des Jahres geltenden Regelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) gelten Patientinnen und Patienten als Neupatienten, wenn sie 2 Jahre oder länger nicht in der Praxis waren. Ob eine Vermittlung durch Hausärzte oder Terminservicestellen erfolgte oder inwiefern diese Akutfälle waren, war für die extrabudgetäre Vergütung im Rahmen des TSVG nicht relevant.
Geplante Zuschläge kompensieren den Einnahmerückgang durch die Streichung mitnichten
Als Folge der landesweiten Proteste der Ärzteschaft, zu denen u.a. der BvDU seine Mitglieder aufgerufen hatten und an denen sich diese zahlreich beteiligten, flossen im Rahmen der Streichung Zuschläge auf die Versicherungs- und Grundpauschale in das Gesetz ein. Diese kommen zum Tragen, wenn Patientinnen und Patienten über die Terminservicestellen (TSS) oder durch den Hausarzt vermittelt werden, gestaffelt danach, wann die fachärztliche Behandlung erfolgt (zwischen 24 Stunden und 35 Tage nach Vermittlung).
Wie die konkrete Ausgestaltung der Zahlung dieser Zuschläge erfolgen wird, erscheint noch nicht genau definiert. Gelten sie lediglich für die Erstbehandlung oder auch für Folgebehandlungen? Zudem kompensieren diese in Aussicht gestellten Zuschläge mitnichten die Leistungshonorierung, die im Rahmen der Neupatientenvergütung erfolgte, wie Zahlen des ZI zeigen. So betrug die zusätzliche Vergütung für TSVG-Fälle im Jahr 2021 für TSS- oder Hausarzt-Vermittlungen ca. 40 Mio. €, für Neupatienten dagegen ca. 415 Mio. €. Für Urologinnen und Urologen wird z.B. von der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin ein Einnahmeverlust in Höhe von ca. 3 % erwartet.
Zuschläge werden nicht zum Tragen kommen
Bei den Zuschlägen völlig außen vor bleiben Facharztgruppen, an die in der Regel keine Weiterleitung durch den Hausarzt erfolgt, wie Gynäkologen oder Kinderärzte. Die bisher bereits überlasteten TSS werden mit der neuen Regelung möglicherweise ein Vielfaches an Anrufen bekommen. Bisher waren keine Stimmen seitens der Kassenärztlichen Vereinigungen zu hören, dass die Kapazitäten der TSS ausgebaut werden, mit der Folge, dass diese Zuschläge kaum zum Tragen und zur Auszahlung kommen werden. Auch Hausärzten, bzw. ihren medizinischen Fachangestellten, fehlt, ausgenommen vielleicht von Akutfällen, die Zeit, für ihre Patientinnen und Patienten Termine bei Fachärzten zu bekommen. Die Fachrichtung „Urologie“ ist im Onlinetool „eterminservice“ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) nicht anwählbar. Was bleibt bzw. verstärkt wird, ist die Unterfinanzierung des gesamten ambulanten Bereiches.
Sinkende Einnahmen und steigende Ausgaben – die wirtschaftliche Lage der Praxen wird prekär, die Politik läuft mit Scheuklappen herum und nimmt die Gefährdung der Patientenversorgung bewusst in Kauf
Der Protest geht weiter: Endlich hatten Ärztinnen und Ärzte im Rahmen des TSVG erreicht, dass für den kleinen Anteil der Neupatienten die Honorierung ihrer Leistungen aus dem Budgetdeckel herausgenommen wurde, nun wird er wieder mit der unzutreffenden Begründung, dass die Regelung wirkungslos für die Terminvergabe geblieben sei, weggenommen. Den Ärzten brechen nun Einnahmen weg, zudem sind getätigte Investitionen, unter anderem in Personal, die in Folge des TSVG erfolgten, obsolet. Im Zuge der Regelung im TSVG mussten die Sprechstundenzeiten um 5 Stundenoffene Sprechstunde ergänzt werden. Auch hier ist unklar, wie damit nach der Streichung verfahren werden wird. Auf der anderen Seite steigen die Ausgaben: Massiv steigende Energiekosten, erhöhte Zahlungen an Medizinisches Fachpersonal, gepaart damit, dass sie keinen Inflationsausgleich erhalten. Bekanntermaßen dürfen Ärztinnen und Ärzte nicht einfach ihre Honorare erhöhen bei steigenden Kosten, sondern sind auf die Einigungen innerhalb der Selbstverwaltung angewiesen. Die jetzige Erhöhung des Orientierungswertes um 2 % ist völlig unzureichend angesichts steigender Ausgaben, mit denen Ärzte konfrontiert sind. Beim Inflationsausgleich gingen Niedergelassene zudem leer aus. Und bei allem schaut die Politik weg. Es erscheint, dass von der Politik bewusst in Kauf genommen wird, dass die wirtschaftliche Existenz der Vertragsärztinnen und –ärzte, die die flächendeckende, wohnortnahe, medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten garantierten und garantieren, gefährdet wird.
Als Folge droht akut die Gefährdung der Patientenversorgung
Rückläufige Einnahmen, u.a. durch die Streichung der Neupatientenvergütung, und steigende Ausgaben führen dazu, dass Praxen nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können und v.a. Hausärzte diese vorzeitig aufgeben. Vor allem wird dies der Fall sein in prekären Stadtteilen oder Gebieten (in denen der Anteil von Weg- und Zuzügen und damit der Anteil von Neupatienten erheblich höher ist als in anderen Gebieten und in denen keine Kompensation mit privaten Patienten oder IGEL-Leistungen möglich ist). Patientinnen und Patienten, die keine Termine bei Fachärzten bekommen, werden von Hausärztinnen und Hausärzten solange bestmöglich mitversorgt, bis nur der Weg in die Rettungsstellen der Krankenhäuser bzw. die stationäre Aufnahme bleibt als Folge, dass sie zu lange nicht fachärztlich versorgt wurden.
Die Proteste gehen weiter
Klar ist: die Proteste gehen weiter. Angesichts sinkender Einnahmen und massiv steigender Ausgaben ohne Ausgleich werden Ärzte und Ärztinnen auf ihre prekäre Situation aufmerksam machen und gegen die Missachtung der Politik vehement protestieren. Die Kampagne des SpiFa (Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V.) #WartenBisDerArztKommt gegen Leistungskürzungen und Budgetierung wird diese Aktionen flankierend unterstützen. Weitere Infos zu geplanten Protest- und Aktionstagen des BvDU, auch auf Landesebene, folgen.
Quellen: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (ZI), Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa), Kassenärztliche Vereinigung Berlin