Urologen: Organspende und Transplantation voranbringen!

Grafik: Nieren

Während jährlich in Deutschland circa 9.500 Organe benötigt werden, standen 2020 nur 2.941 Spenderorgane zur Verfügung. Im internationalen Vergleich bleibt Deutschland Schlusslicht. Spanien, Frankreich und Italien haben 3- bis 4-mal mehr Spender. Weltweit rangiert Deutschland bei der Organspende auf dem 30. Platz – gleichauf mit Bulgarien, China oder Rumänien. Angesichts dieser katastrophalen Lage appelliert die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) an die mögliche Ampelkoalition, Organspende und Transplantationsmedizin in Deutschland endlich voranzubringen. Damit schließt sich die DGU dem Appell der Patienteninitiative der Interessengemeinschaft Niere NRW e.V. und des Netzwerkes Organspende NRW e.V. an, bei den Koalitionsvertragsverhandlungen das Thema Organspende und Transplantation aufzunehmen und weiterzuentwickeln. 

Vorstand und Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. sind der Meinung, dass sich eine medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft immer dann positionieren und Verantwortung übernehmen soll, wenn sie begründete Bedenken hat, dass das medizinisch Mögliche und Notwendige de facto unseren Patienten vorenthalten wird, heißt es in dem Schreiben der DGU an die FachpolitikerInnen Gesundheit von SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP vom 5. November 2021. In diesem Sinne hatte sich die DGU in den letzten Jahren immer wieder zu Wort gemeldet, hatte die Handlungsträger zu Parlamentarischen Abenden zu Organspende und Transplantationsmedizin eingeladen und 2018 unter der Präsidentschaft von Prof. Dr. Paolo Fornara, Federführender der Arbeitsgruppe Richtlinie Empfängerschutz Lebendorganspende der BÄK, Organsachverständiger Niere der Prüfungs- und Überwachungskommission (PÜK) und Vorstand des Arbeitskreises Nierentransplantation der DGU, nicht zuletzt ihren Ruf nach Einführung der doppelten Widerspruchslösung bei der Organspende erneuert.

In ihrem aktuellen Appell an die mögliche neue Regierung mahnen namentlich für die Fachgesellschaft Univ.-Prof. Dr. Maurice Stephan Michel, Generalsekretär und Sprecher des Vorstands der DGU e.V., Univ.-Prof. Dr. Paolo Fornara, Past-Präsident der DGU e.V., und Prof. Dr. Margit Fisch, Präsidentin der DGU e.V., nötigen Handlungsbedarf an: Gesetzliche Rahmenbedingungen der Organspende, Patientenverfügung, funktionserhaltende Therapie von Spenderorganen, Palliativmedizin, Herztoddiagnostik und nicht zuletzt die anachronistischen Rahmenbedingungen bei der Lebendspende seien nur einige Beispiele für den dringenden Regelungsbedarf. 

Als transplantierendes Fachgebiet weist die DGU im Besonderen auf die Lage bei der Nierentransplantation hin. Derzeit warten ein Viertel aller Patienten acht oder mehr Jahre auf eine Niere. Der Organmangel führe naturgemäß zu einer medizinisch nicht vertretbaren Verlängerung der Wartezeit: Das bedeute nicht nur eine deutliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes der Patienten, sondern führe – bedingt durch die Systematik der Nierenallokation – zu einer gefährlichen Verzerrung, da die Bedeutung der immunologischen Übereinstimmung im Verhältnis zur Wartezeit schwindet und nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Vor diesem Hintergrund sei es nicht verwunderlich, dass die Ergebnisse der Nierentransplantation in Deutschland im internationalen Vergleich deutlich schlechter ausfallen. Die 5-Jahres-Transplantatfunktion einer Niere liegt in Deutschland bei 72% im Gegensatz zu 80% im internationalen Vergleich, konstatiert die DGU. 

Dass die Einführung der Widerspruchslösung bisher gescheitert ist, bleibt für die Fachgesellschaft unverständlich. Die DGU betont gegenüber der möglichen Ampel-Regierung: Die jetzige Regelung stellt eine große Belastung für die Angehörigen dar, wie die vorherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen auch, da sie in einer emotional extrem schwierigen Lage aufgerufen sind, eine Entscheidung zu treffen, die sie nur stellvertretend und in der mutmaßlichen Interpretation des Willens des Verstorbenen treffen können, eine Entscheidung, von der sie ihr Leben lang nie wissen werden, ob sie wirklich im Sinne des Verstorbenen war. 

Im Vertrauen auf die neue Regierung äußerte die DGU allerdings ihre Zuversicht, dass in der kommenden Legislaturperiode Organspende und Transplantationsmedizin die Würdigung und die politische Aufmerksamkeit erhalten, die in anderen Ländern selbstverständlich ist.

Quelle: pi DGU, 10.11.2021