Lange erstickte die digitale Neuordnung des Gesundheitswesens hierzulande in scheinbar endloser Planung. In der Krise raffen sich nun die wichtigen Akteure zum Handeln auf. Wenngleich auch die Ernüchterung folgt und vielerorts man aufgrund der fehlenden technischen Ausstattung an der wunderbaren Welt der Digitalisierung nicht teilnehmen kann – das gilt für Arzt und Patient.
Deutschlands Ärzteschaft ist gespalten, wenn es um den Einsatz digitaler Technologien im medizinischen Alltag geht. Das zeigte unlängst eine Umfrage des Hartmannbunds in Kooperation mit dem Digitalverband Bitkom: Während Ärzte in Kliniken mehrheitlich offen für digitale Gesundheitsangebote sind, zeigen sich Niedergelassene skeptischer. Es herrsche ein „digitaler Graben zwischen Kliniken und Praxen.“ Dieses Auseinanderdriften ist jedoch für eine intensivierte sektorenübergreifende Zusammenarbeit nicht besonders förderlich. Diese benötigen wir aber dringend. Daher müssen wir Ärzte künftig die Potenziale digitaler Technologien erkennen und einordnen können. Das wird so auch in der Urologie gesehen und belegt eine BvDU-Umfrage aus dem letzten Jahr: Danach begrüßen 76 Prozent der Befragten niedergelassenen urologischen Fachärzte prinzipiell die Einführung digitaler Technologien im Gesundheitswesen. Kritisch beäugt werden in erster Linie IT-Sicherheit und Datenschutz. Doch auch bei der Digitalkompetenz von Patienten und Ärzten gibt es Nachholbedarf. Die neuen Technologien sollen uns Ärzte entlasten und nicht belasten. Wir fordern einerseits, dass die gesetzlichen Krankenkassen ihre Patienten darauf vorbereiten. Und andererseits benötigen wir Ärzte dringend klare Regelungen für Datenschutz, Haftung und Finanzierung.
Digitaler Wandel mit Maß und Verstand
Eine weitere Kehrseite des digitalen Wandels ist, dass „vermeintlich sinnvolle Applikationen nicht dem Interesse unserer Patienten, sondern vornehmlich den Interessen Dritter, wie Investoren, Krankenkassen oder dem Staat, dienen“. So formuliert es das Bündnis Junge Ärzte (BJÄ) in seinem Positionspapier zum Thema. „Eine Datenspende, beispielsweise zum Ausbau der Versorgungsforschung und zur Entwicklung intelligenter medizinischer Anwendungen erachten wir in geordnetem Setting für sinnvoll.“
„Wir sollten uns der unkritischen Anbetung des Digitalen widersetzen“, meint auch Dr. Silke Lüders. Die stellv. Vorsitzende der Freien Ärzteschaft stimmt uns damit auf wichtige Debatten im Bundestagswahlkampf ein. Sie sieht Gefahr, dass wir uns zu stark vom Online-Leben abhängig machen. Gleichzeitig grenze man − laut Lüders − einen großen Teil unserer Bevölkerung durch die Digital-Medizin aus, da sie gar nicht das Know-how oder schlichtweg die Geräte dafür besäßen.
Keine App ersetzt Empathie
Wir Fachärzte, besonders in der Niederlassung, haben eine enge Bindung zu unseren Patienten. Diese gilt es zu schützen. Digitale Technologien können uns in der täglichen Arbeit unterstützen, aber keine App kann die Empathie und die persönliche Begegnung im Arzt-Patienten-Verhältnis ersetzen. Daher muss sich die Ärzteschaft in die Debatte einbringen und dort Digitalisierung mitgestalten, wo es Patient und Arzt wirklich hilft. Das gilt beispielsweise für die sektorenübergreifende Versorgung. Missmanagement und Aktionismus – gerade wie wir es in der Umsetzung der technischen Infrastruktur sehen − bremsen nur aus.
So stellt sich berechtigterweise die Frage, ob die maximale digitale Transformation im Gesundheitswesen überhaupt wünschenswert ist? Denn Technik heißt auch immer Fremdbestimmung. Die Verantwortung dafür und vor allem der verantwortungsvolle, dosierte Umgang damit liegt jedoch immer beim Benutzer. Das digitale Gesundheitswesen kann nur gut funktionieren, wenn es diejenigen akzeptieren, die es mit Leben füllen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Dr. Axel Schroeder
Präsident Berufsverband der Deutschen Urologie e. V.
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