Jede fünfte aller onkologischen Neuerkrankungen wird als urologischer Tumor lokalisiert. So ist beispielsweise das Prostatakarzinom noch immer der häufigste Tumor bei Männern. Doch wie lässt sich die Behandlung, insbesondere von fortgeschrittenen Erkrankungen, weiter verbessern? Und welche Rolle spielt der Wohnort der Patienten dabei? Um Betroffenen in Berlin-Brandenburg die bestmögliche Therapie bieten zu können, wurde auf Initiative der Charité – Universitätsmedizin Berlin die Plattform Hauptstadt Urologie gegründet. Heute wurde das Netzwerk vorgestellt.
Die Medizin soll zu den Menschen kommen
Das Projekt verbindet spezialisierte Ärztinnen und Ärzte aus der Region mit dem urologischen Tumorzentrum der Charité. Unabhängig davon, wo die Patienten in Behandlung sind, erhalten sie von ihrem Arzt im Netzwerk Empfehlungen für neueste Therapiemöglichkeiten. Prof. Dr. Thorsten Schlomm, Direktor der Klinik für Urologie der Charité: „Die Medizin soll zu den Menschen kommen und nicht umgekehrt. Mit dem Projekt verfolgen wir das Ziel, Präzisionsmedizin auch in der Fläche verfügbar zu machen.“
Mit diesem innovativen Ansatz unterstützt die Charité Patienten und deren behandelnde Ärzte bei der gemeinsamen Suche nach der bestmöglichen Therapie und macht dabei das Wissen sowie die individuellen Erfahrungen der Patienten und der Ärzte als „Schwarmintelligenz“ für alle nutzbar. So wird ein großes, ständig wachsendes Netzwerk geschaffen. Frank Michalak, Geschäftsführer der gemeinnützigen Trägergesellschaft der Hauptstadt Urologie (PNCMed gGmbH): „Jeder Patient hat seine ganz besonderen Erfahrungen, etwa über Wirkung und Nebenwirkungen von Therapien, gemacht. Dieses individuelle Wissen steht der Gemeinschaft bisher jedoch nicht zur Verfügung. Das wollen wir ändern.“
Das Hauptstadt-Urologie-Netzwerk soll einen frühzeitigen Zugang zu innovativen Behandlungsmethoden ermöglichen. Jürgen Graalmann, Geschäftsführer der BrückenKöpfe, Mitinitiatoren der Hauptstadt Urologie: „Nachdem viel und lange über Präzisionsmedizin geredet wurde, gibt es mit der Hauptstadt Urologie einen praktischen und patientenorientierten Piloten, der auch dazu beitragen wird, den Nutzen von Krebstherapien auf ein neues Niveau zu heben.“
So ist der Ablauf
Doch wie genau funktioniert die Plattform? Die beteiligten Ärzte laden ihre Patienten ein, am Netzwerk teilzunehmen und händigen ihnen einen Teilnahme-Code aus. Damit kennt nur der behandelnde Arzt die Identität. Mit diesem Code können die Patienten ihre eigenen Daten in das System eintragen und jederzeit aktualisieren. Die Daten werden kontinuierlich von einem Team des urologischen Tumorzentrums der Charité sowie durch künstliche Intelligenz analysiert und mit neuesten Therapiemöglichkeiten abgeglichen. Dabei hilft auch, dass jeder Patient alle für ihn relevanten Informationen zu seiner Erkrankung erhält und mit seinem Arzt besprechen kann. Nur mit dem Einverständnis des Patienten werden die Daten zu Symptomen und Lebensqualität systematisch erhoben. Rüdiger Bolze, Leiter des Regionalverbands Neue Bundesländer Prostatakrebs-Selbsthilfe e.V. (BPS): „Die regelmäßige Kontrolle durch Expertinnen und Experten ermöglicht das frühzeitige Erkennen und rechtzeitige Behandeln von lebensbedrohlichen Komplikationen. Hier steht die Patientenperspektive im Mittelpunkt.“
Hochspezialisierte Therapien für jeden und überall
Hochspezialisierte Therapien für jeden und überall – die Charité forscht intensiv an der Entwicklung neuer digitaler Medizinansätze. Prof. Dr. Ulrich Frei, Vorstand Krankenversorgung der Charité: „Das Hauptstadt-Urologie-Projekt ist ein erfolgreiches Beispiel für digitale Medizin. Das Netzwerk ermöglicht es uns als Universitätsmedizin, in einen engen Austausch mit den ambulanten Versorgern zu treten und neueste Forschungsansätze schnellstmöglich zum Patienten zu bringen. Damit können wir zu einer dauerhaften Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung beitragen.“ Gottfried Ludewig, Abteilungsleiter Digitalisierung und Innovation im Bundesministerium für Gesundheit, stimmte zu: „Die Hauptstadt Urologie ist ein spannender Ansatz, den wir aufmerksam verfolgen.“
Die Verfügbarkeit der innovativsten Behandlungsangebote zu erhöhen, ist eines der Hauptanliegen des Projekts, das auch Prof. Jens Rassweiler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Urologie, ergänzte: „Wir begrüßen diese Initiative, die im Zeitalter der Digitalisierung in der Medizin fast schon als ein obligater Schritt in der Optimierung unserer Behandlungsoptionen darstellt. Wir sind dabei stolz, dass gerade eine renommierte urologische Universitätsklinik, wie die Charité, sich dieser Aufgabe widmet. Dr. Axel Schroeder, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Urologen (BvDU), fügte hinzu: „Der medizinische Fortschritt muss flächendeckend verfügbar sein, damit die milliardenschweren Investitionen in Forschung und Entwicklung auch tatsächlich beim Patienten ankommen. Darüber hinaus leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Zusammenarbeit zwischen Klinikern und ambulant tätigen Ärzten und trägt somit ein Stück zur Überwindung der Sektorengrenzen bei.“
Die Ausweitung des Modells ist auch auf andere Tumorerkrankungen, wie beispielsweise gynäkologische, geplant. Auch andere Regionen haben bereits Interesse bekundet, den Ansatz zu übernehmen. Das Projekt wird von den Berufsverbänden der Ärzte, der AOK Nordost, der BARMER, der Deutschen Gesellschaft für Urologie und der IKK Brandenburg und Berlin unterstützt.
(pi Charité – Universitätsmedizin Berlin, 28.02.2020)