Von der angekündigten Umstrukturierung der gematik und dem erwarteten Umbau der Gesellschafterstrukturen findet sich im Entwurf für ein Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) nichts. Stattdessen geht es nun um eine stärkere Marktregulierung und Durchgriffsrechte. Vor allem die PVS-Hersteller sollen in die Pflicht genommen werden. Der Entwurf ging laut BMG am 10. Mai in die Ressortabstimmung – ohne Mitteilung, wann er im Kabinett beschlossen werden soll.
Vom Tisch sind die anfangs von dem Ministerium und der Ampel forcierten Überlegungen, aus der gematik eine Anstalt öffentlichen Rechts zu machen. Damit sollte die Entscheidungsgewalt des BMG bei der Digitalagentur ausgeweitet werden. Somit bleibt es dabei, dass das BMG mit 51 Prozent der gematik-Anteile Mehrheitsstimmrecht hat. Weitere 22 Prozent beziehungsweise sieben Prozent entfallen auf den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) und den Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV), die die Agentur zu 93 beziehungsweise sieben Prozent finanzieren. Die restlichen 24,5 Prozent der Anteile verteilen sich auf die Spitzenverbände der Leistungserbringer, also etwa die Kassenärztliche Bundesvereinigung
(KBV).
Agentur soll selbst Anwendungen entwickeln
Unter den neuen gesetzlichen Bedingungen dürfen „Komponenten und Dienste, die zentral und nur einmalig vorhanden sein können“, von der Agentur selbst entwickelt werden – beispielhaft dürfte hier das E-Rezept sein, das seinerzeit ebenfalls von der gematik entwickelt wurde.
Außerdem adressiert der GDAG-Entwurf eine Klage, die seit Jahren aus Reihen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zu hören ist: Die Behinderung de Digitalisierungsbemühungen durch dysfunktionale PVS. Dabei moniert die KBV nicht nur die Schwierigkeiten, elektronische Patientenakten (ePA) – das Herzstück der Digitalisierungsstrategie des Bundesgesundheitsministeriums – über die PVS effizient zu befüllen und abzurufen, sondern auch die massiven Probleme, die beim Wechsel von einem Anbieter zum anderen entstehen.
Rechtsanspruch auf Unterstützung bei PVS-Wechsel
Schon im Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) wurde vor zwei Jahren beschlossen, die Interessen der Niedergelassenen gegenüber PVS-Herstellern zu stärken, indem eine Rahmenvereinbarung zwischen KBV und GKV-SV ermöglicht wurde. Aktuell findet sich diese Rahmenvereinbarung noch in der Überarbeitung, mit dem GDAG würde in sie die „verpflichtende Mitwirkung“ des PVS-Herstellers bei einem Anbieterwechsel aufgenommen. Heißt konkret: Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte bekämen einen Rechtsanspruch darauf, bei einem Systemwechsel in einer Weise unterstützt zu werden, die einen reibungslosen Weiterbetrieb der Praxis ermöglicht – vor allem einen einfachen Transfer von Daten.
Strafen für PVS-Hersteller bis zu 25.000 Euro
Hinterlegt werden soll das mit Sanktionsmöglichkeiten der Niedergelassenen. Sollten PVS-Hersteller ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, hätten die Leistungserbringer das Recht auf Schadenersatz. „Diese Schadenshöhe bezieht sich dabei auf die tatsächlich entstandenen Kosten, z. B. die durch die Inanspruchnahme externer Dienstleistungen bei der Datenmigration in Rahmen des durchgeführten Systemwechsel entstanden sind.“ Auch die Archivierung von Daten könnte in Rechnung gestellt werden, auch die in einer Cloud. Die neue Digitalagentur selbst soll Sanktionierungsmöglichkeiten gegenüber der Industrie bekommen. Die Strafe könnte dabei bis zu 25.000 Euro pro Vorfall betragen.
Mit dem GDAG würden der GKV Einsparungen durch die zentrale Ausschreibung von Komponenten und Diensten in „aktuell nicht bezifferbarer“ Höhe entstehen, schätzt das BMG. Für Primärsystem-Hersteller ergäben sich laut Entwurf Einsparungen in ähnlicher Höhe, „da der einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) nicht mehr als manuelle Information in eine digitale Form durch jedes Unternehmen übersetzt werden muss, sondern direkt in digitaler Form verfügbar ist“ – eine EBM-Schnittstelle soll laut Entwurf bei der KBV eingerichtet werden.
Der Berufsverband begrüßt den Rechtsanspruch auf Unterstützung bei PVS-Wechsel für die Niedergelassenen mit den in Aussicht gestellten Sanktionierungsmöglichkeiten. Skeptisch zeigt sich der BvDU im Hinblick darauf, wenn die Agentur selbst Anwendungen entwickelt. Die Erfahrungen mit der E-Rezept-App machen diesbezüglich keine Vorfreude. Der BvDU begrüßt, dass die geplante Agentur mehr Verantwortung bei der Gesamtsteuerung der Umsetzung digitaler Prozesse sowie der Steuerung des Betriebes und der Benutzerfreundlichkeit bekommen soll. Dabei muss aus Sicht des Berufsverbands gewährleistet sein, dass die Umsetzung und Regulierung von Versorgungsprozessen weiterhin in den Händen der Leistungserbringer und ihrer Organisationen der Selbstverwaltung liegen.
Quellen: Tagesspiegel Background, Ärztenachrichtendienst (änd)