Der ePA-Start rückt näher – mit ihm kommen neue rechtliche Fragen im Hinblick auf Haftungsrisiken auf

Ein Stethoskop liegt auf der Tastatur eines geöffneten Laptops.

Im Gespräch mit dem Ärztenachrichtendienst fasste KBV-Justiziar Dr. Christoph Weinrich es so zusammen: Grundlage der Behandlung bleibt das anamnestische Gespräch. Die ePA müsse als „Unterstützungsdokument“ gesehen werden.

Die elektronische Patientenakte (ePA) ist – im Gegensatz zur Behandlungsdokumentation des Arztes – eine rein patientengeführte Datensammlung. Sie ist auch im Gesetz als versichertenbezogene Akte angelegt. Das heißt, der Arzt / die Ärztin ist nicht dafür verantwortlich, dass die Daten in der Akte vollständig sind oder welche Dokumente sich dort befinden. Die ePA dient letztendlich der Information des Versicherten und hat durch die aktuelle Gesetzgebung noch einen zusätzlichen Zweck bekommen: die Unterstützung bei der Diagnose, bei der Befundung und bei der Behandlung. Die Behandlungsdokumentation dagegen dient zum Beweis und zum Nachweis, dass man als Arzt bestimmte Behandlungen vorgenommen hat. Diese ist – zivilrechtlich vorgegeben – im Streitfall ein echtes Beweisstück.

Können sich Ärztinnen und Ärzte auf die Richtigkeit der in der ePA zu findenden Informationen verlassen?

Auf Informationen, die man von Patientinnen und Patienten erhält, können sich Ärztinnen und Ärzte grundsätzlich verlassen. Das gilt ebenso bei Informationen, die in der elektronischen Patientenakte enthalten sind. Sie ist in dem Sinne nur ein Unterstützungsdokument.

Darf ich als Arzt Dokumente aus der ePA herunterladen und in meine Behandlungsdokumentation übernehmen – alle Dokumente oder nur Informationen, die den Behandlungskontext betreffen?

Der Arzt hat Zugriff auf die ePA im Behandlungskontext. Es gibt kein Verbot, etwas in die

Behandlungsdokumentation zu integrieren. Das, was der Arzt an Informationen benötigt, sieht er bei geöffneter Akte. Im Idealfall findet er dort Informationen, die einem weiterhelfen. Dass man alle Informationen herunterlädt, ist eher nicht zu sehen. Wenn, sollte der Patient informiert werden.

Muss der Arzt aktiv nachfragen, ob für den Behandlungskontext wichtige Information auf der Akte vermerkt sind?

Es gilt weiterhin wie bisher: Grundlage der ärztlichen Behandlung ist das anamnestische Gespräch. Wenn der Arzt im Rahmen des Gesprächs einen Anlass hat, nachzufragen, ob etwas Wichtiges in der ePA enthalten sein wird, sollte er das tun. Der Behandlungskontext aus medizinischer Sicht entscheidet: gezielte Suche bei gegebenem Anlass ja – alles andere nein. Das gilt auch, wenn der Patient darauf besteht, dass der Arzt sich alles anschauen soll.

Die Frage, inwieweit eine neuartige Informationsfülle in der jeweiligen Behandlungssituation weitergehende ePA-Recherchen erfordert oder eben nicht, wird in der Zukunft Fachgesellschaften oder auch den G-BA beschäftigen.

Die Frage, wann welche medizinischen Anlässe im Rahmen der Anamnese gegeben sind, ist eine rein

medizinische, keine juristische. Im Zusammenhang mit der ePA könnte sich gemäß Einschätzung der Juristen aller Körperschaften auf Bundesebene kein Niederschlag im Sinne eines Behandlungsfehlers ergeben. Den Niedergelassenen kann aus juristischer Sicht die Sorge genommen werden, dass dies im Alltag wirklich einmal eine Rolle spielen könnte.

Ärztinnen und Ärzte müssen bei „stigmatisierenden Erkrankungen gezielt informieren, dass Daten auf die ePA kommen. Ist diese Regelung ausreichend oder hätte noch etwas näher festgehalten werden, welche Krankheiten gemeint sind?

Zunächst einmal ist der Begriff der stigmatisierenden Erkrankung, der im § 47 SGB V gewählt wurde, nicht glücklich gewählt. Gerade im psychotherapeutischen Bereich könnte über fast alle Diagnosen zu sprechen sein. Die entsprechenden Fachgesellschaften kämpfen seit Langem dafür, dass man sie eben nicht als stigmatisierend wahrnimmt. Deswegen würden wir die Bezeichnung der besonders sensiblen Diagnosen vorziehen. Innerhalb dieser gibt es in der Tat die Informationspflicht und das Recht auf Widerspruch durch den Patienten. Dies sind psychische und sexualbezogene Erkrankungen und Schwangerschaftsabbrüche.

Kinder dürfen ab 15 Jahren ihre ePA anlegen lassen. Hier können Fragen entstehen, welche Rechte Eltern haben, wenn sich zum Beispiel beide Erziehungsberechtigte nicht einig sind, was hinzugefügt oder gelöscht werden soll.

Die offenen Fragestellungen lassen sich nicht einfach auflösen, da hier das Familienrecht eine Rolle spielt. Allerdings werden solche Fragestellungen in der Praxis nur sehr selten zum Tragen kommen. Ärzte und Psychotherapeuten brauchen sich keine rechtlichen Sorgen zu machen. Das sind Probleme, die sich eher im Familienrecht stellen werden. Es wäre rechtlich einfacher gewesen, wenn man bei unter 18-jährigen auf die ePA gänzlich verzichtet hätte, weil sich bestimmte Probleme einfach kaum lösen lassen.

Was ist mit Ärztinnen und Ärzten, die sich der ePA komplett verweigern? Müssen sie vor Behandlungsbeginn aufklären, dass die Akte nicht ausgelesen werden kann, um rechtlichen Problemen zu entgehen?

Vertragsärzte und Psychotherapeuten sind verpflichtet, die ePA anzubieten und zu befüllen. Tut

sie das nicht, verstoßen sie gegen eine vertragsärztliche Pflicht. Inletzter Konsequenz würde das bedeuten, dass irgendwann die Kassenzulassung gefährdet ist, wenn man diese Möglichkeit nicht bietet.

Aber zunächst geht es darum, die Menschen zu überzeugen und herauszufinden, wo sie die Probleme sehen. Wichtig erscheint, dass die Ärzte erkennen, dass es letztlich etwas bringt im Behandlungsprozess. Wenn das Kommunikationsmittel funktioniert, kann es eine Chance sein. Wenn die Technik nicht funktioniert – und die Leute nicht davon überzeugt sind – ist das sicherlich kein guter Weg. Die Einführung von Technik sollte durch Funktionalität unterstützt werden, nicht über Sanktionen.

Quelle: Ärztenachrichtendienst (änd)