Berufspolitische Halbzeit-Analyse

Als ich mich vor zwei Jahren für eine weitere Amtszeit als BvDU-Präsident zur Verfügung gestellt habe waren wir in einer Welt ohne Corona. Die berufspolitische Agenda war bereits prall gefüllt, das Gesundheitssystem stark beansprucht und reformbedürftig. Durch die Pandemie kamen nun neue Herausforderungen auf die Medizin, die Urologie sowie uns Ärztinnen und Ärzte hinzu. Kliniken und Praxen befanden sich im Ausnahmezustand, die Regelversorgung war stark heruntergefahren bzw. nur unter erschwerten organisatorischen und hygienischen Bedingungen möglich, besonders gefordert wurde der ambulante Bereich. Und der ambulante Schutzwall hat funktioniert: Hier wurden in den vergangenen Monaten sechs von sieben Corona-Patienten versorgt. Das hat auch dazu geführt, dass es – in Verbindung mit den Maßnahmen im Krankenhaus – keine Überforderung des Systems gegeben hat. Behandlungen und Kontrolluntersuchungen konnten für einen gewissen Zeitraum unterbrochen oder gestreckt werden. Doch können wir jetzt nicht weiter Abklärungs- und Früherkennungsuntersuchungen ohne Risiken für unsere Patienten weiter hinauszögern. Wir müssen zurück in den Normalbetrieb. Hygieneregeln sind natürlich trotzdem zu befolgen. Das galt vor der Pandemie, das gilt hinterher.

Angemessene Vergütung der Hygienekosten gefordert

Nicht erst seit der Corona-Krise sind Praxen mit verschärften Hygienemaßnahmen konfrontiert. Bereits seit 2012 gelten striktere Richtlinien für die Hygiene bei der Medizinproduktaufbereitung. Diese verursachen enorme Kosten, die niedergelassene Urologinnen und Urologen aktuell aus ihren Praxiseinnahmen finanzieren. Eine Befragung von rund 1.500 urologischen Praxen des Instituts des Bewertungsausschusses (InBA) im Auftrag der KBV soll Aufschluss darüber geben, welche Hygienekosten durch Zystoskopien entstehen. Damit wollen wir endlich eine angemessene Vergütung dieser Aufwendungen erreichen. Vorausgegangen war die Zystoskopie-Kampagne, an der sich auf Initiative des BvDU Ende 2019 viele niedergelassene Urologinnen und Urologen in Deutschland beteiligt haben. Im Protestzeitraum haben sie bei ihren Patienten keine Zystoskopien mehr durchgeführt. Um die derzeit stockenden Verhandlungen wieder in Gang zu bringen und unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen, planen wir im zweiten Halbjahr 2020 eine erneute Kampagne.

Onkologie-Vereinbarung muss weiter entwickelt werden

Weiteres großes Thema in der ersten Halbzeit meiner Präsidentschaft waren Onkologie-Vereinbarung (OV) und die Ambulant Spezialfachärztliche Versorgung (ASV). Anfang des Jahres gab es Aufregung darüber, dass Urologen von der Teilnahme an der OV ausgeschlossen werden könnten. Diese Sorge haben wir als Berufsverband unmittelbar auflösen können. Auf unser Betreiben hin wurde der rein formale Fehler in der Definition der medikamentösen Tumortherapie im § 4 der OV korrigiert. Und das im verbindlichen Einvernehmen zwischen KBV und GKV-Spitzenverband. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass die OV weiterentwickelt wird: Der Spitzenverband der Krankenkassen hat auf unsere Intervention hin im Mai die Verhandlungen aufgenommen. Sie sollen im August fortgesetzt werden, damit hormonell bzw. antihormonell wirksame Medikamente in die OV mit Wirkung zum 1.1.2021 aufgenommen werden. Vorrangig geht es hierbei um die Endokrine Therapie beim fortgeschrittenen Prostata-Karzinom.

ASV kann sich in aktueller Form nicht durchsetzen

Ursprünglich geplant als Ergänzung der OV sollte die ASV zusätzlich in der Klinik tätigen Ärzten und auch Vertragsärzten die Möglichkeit geben, ambulant Krebspatienten zu behandeln. Allerdings zeigt sie sich in ihrer jetzigen Form nicht als alltagstauglich. Gründe dafür, dass sie sich nicht durchsetzt sind die Zulassungsbedingungen, Bürokratie und Finanzierung. Somit gibt es kaum Anreize, die Indikationen sind begrenzt. Doch ist der große Aufwand des Aufbaus sowie der Koordination von fach- und sektorübergreifenden Gruppen bei den jetzigen Indikationen denn überhaupt gerechtfertigt? Welche Bedeutung hat die ASV für die Weiterentwicklung der intersektoralen Versorgung? Solange im vertragsärztlichen Bereich der Verbotsvorbehalt nicht gilt, ist die ASV für Kliniken nicht interessant. Nur dann macht es auch Sinn, die Indikationen zu erweitern. Außerdem wichtig: Wenn man intersektoral versorgen will, muss man ebenfalls intersektoral weiterbilden. Darauf zielt die neue Musterweiterbildungsordnung ab, die gerade in den Landesärztekammern umgesetzt wird. Ziel ist es, deren Inhalte künftig mehr an der ambulanten Versorgung auszurichten.

Sektorengrenzen verschwimmen zunehmend

Aufgrund des medizinischen Fortschritts werden künftig immer mehr Behandlungen sowohl ambulant als auch stationär erbracht werden können. Die einstigen Sektorengrenzen weichen immer mehr auf. Das ist auch gut so. Aber es muss eine neue Struktur her und auch die Vergütung von intersektoralen Leistungen geklärt werden. Im vorderen Teil dieser Ausgabe „Berufspolitik 2020“ greifen wir die sektorenübergreifende Versorgung als Schwerpunktthema auf und beleuchten sie mit Experten aus verschiedenen Blickwinkeln.

Getreu unserem Motto „Wir machen uns stark für Sie“, setzen wir uns im Präsidium sowie die Kolleginnen und Kollegen im Hauptausschuss weiterhin dafür ein, der Urologie − in der Versorgung, in der Öffentlichkeit und in der Politik – eine Stimme zu geben.

Ich freue mich auf eine berufspolitisch erfolgreiche zweite Halbzeit!

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Dr. Axel Schroeder
Präsident Berufsverband der Deutschen Urologie e. V.


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