Berufspolitik 2020: Der Blick über den sektoralen Tellerrand

Oberkörper eines Arztes mit übereinandergeschlagenen Armen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

seit Jahren wird gefordert, dass mehr Leistungen ambulant erbracht werden sollen. Schaut man sich den medizinischen Fortschritt an, so ist heute durchaus möglich, dass immer mehr Behandlungen sowohl ambulant als auch stationär erbracht werden können. Eine Sektorengrenze kann nicht mehr eindeutig definiert werden. Die Zukunft der meisten Fachärztinnen und Fachärzte, die mehr als die Grundversorgung anbieten, wird genau an dieser Schnittstelle liegen. Hinzu kommt, dass die urologische Patientenversorgung zu großen Teilen außerhalb des Krankenhauses stattfindet.

Themenschwerpunkt „Intersektoralität“

Die Intersektoralität im Gesundheitswesen ist in dieser Ausgabe unser Themenschwerpunkt, denn einmal jährlich widmen wir uns in Heft 8 von Der Urologe aktuellen berufs- und standespolitischen Themen. Der Berufsverband der Deutschen Urologie e. V. (BvDU) ist neben der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU) das zweite Standbein der organisierten Urologie in Deutschland und vertritt dabei Urologinnen und Urologen in Klinik und Praxis. Sowohl die Fachgesellschaft als auch der Berufsverband sind bestrebt, gemeinschaftlich die Zukunft unseres Faches aktiv zu gestalten.

Die sektorenübergreifende Versorgung ist ein viel diskutiertes politisches Thema. Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e. V. (SpiFa) machte in diesem Jahr einen Vorschlag für die zukünftige Struktur und Vergütung intersektoraler Leistungen. Demnach sollen unter einen § 115 SGB(Sozialgesetzbuch) V-neu alle „intersektorale Leistungen“ zusammengefasst werden. Das Prinzip ambulant vor stationär werde dadurch konsequent umgesetzt, so SpiFa-Hauptgeschäftsführer Lars F. Lindemann.

Urologische Patienten werden hauptsächlich im ambulanten Bereich versorgt. Mira Faßbach, Urologin am Helios Klinikum Duisburg, stellt fest, dass dort jedoch aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen nur zu einem geringen Teil weitergebildet werde. Sowohl aus fachlich-inhaltlicher Sicht, als auch im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen sei eine stärkere Förderung der ambulanten Weiterbildung unabdingbar. Doch bleibt im ärztlichen Alltag überhaupt genug Zeit für Weiterbildung? Statistiken zeigen, dass Ärzte und Ärztinnen in Kliniken die längsten Wochenarbeitszeiten im Gesundheitswesen haben. Deshalb setzt sich Susanne Johna, Mitglied im Vorstand der Bundesärztekammer und 1. Vorsitzende des Marburger Bundes – Bundesverband, für weniger Überstunden und Entbürokratisierung in der ärztlichen Arbeit ein. Eine Grundvoraussetzung auch dafür, dass noch ausreichend Zeit für Weiterbildung zur Verfügung steht.

Die deutsche Urologie zeigt mit ihren Weiterbildungsinhalten (Musterweiterbildungsordnung) ein enormes Spektrum, welches zurzeit in den Landesärztekammern in einer Weiterbildungsordnung verankert wird. DGU-Generalsekretär Maurice-Stephan Michel, Jens Westphal, Vorsitzender des BvDU-AK(Arbeitskreis) Angestellte Ärzte sowie Justus König, Vorsitzender der German Society of Residents in Urology (GeSRU) e. V. und des BvDU-AK Ärzte in Weiterbildung, fordern ein Curriculum mit einer strukturierten, standardisierten Weiterbildung. So würden auch zukünftig durch die Verlagerung einzelner Weiterbildungsinhalte in den ambulanten Sektor Allianzen zwischen Kliniken und Praxen im Sinne der intersektoralen Weiterbildung und Versorgung immer wichtiger werden.

Neue sektorenübergreifende Strukturen stellen auch für die Versorgungsforschung große Chancen dar. Die Urologie agiert an der Schnittstelle vieler Disziplinen und hat deshalb auch großes Potenzial in der intersektoralen Versorgungsforschung gestaltend mitzuwirken. Peter J. Goebell von der Urologischen und Kinderurologischen Universitätsklinik in Erlangen konstatiert, dass die Corona-Pandemie die Digitalisierung unserer Gesellschaft und des Gesundheitswesens beschleunige. Sie stelle sich – wenn (daten)sicher und klug genutzt – auch als Segen für Versorgungsforschung heraus. Damit würde künftig der Informationsverlust an der Schnittstelle ambulant/stationär minimiert, die Patientenversorgung verbessert und gleichzeitig ein Forschungsbeitrag über die Sektorengrenzen hinweg geliefert.

Weiteres Thema: „Corona“

Abseits unseres Heftschwerpunkts kommen wir natürlich nicht umhin, auch noch umfassender auf das überragende Thema unserer Zeit einzugehen: die Corona-Pandemie. Ihre Bedeutung für die Gesundheitspolitik und die alltägliche Praxis der gesundheitlichen Versorgung beleuchtet für uns Franz Knieps, Vorstand des Verbands der Betriebskrankenkassen.

Im Zuge der aktuellen Pandemielage steigen die Gesundheitsausgaben gerade rapide. Die gesetzlichen Krankenkassen rufen nach mehr Steuergeld. Auch die PKV (Private Krankenkassen) steht unter Druck. So ist eine schnelle Umsetzung der GOÄ-Reform wünschenswert. Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt gibt uns einen Überblick zum Sachstand und einen Ausblick auf den weiteren Verlauf der GOÄ-Novellierung.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre!

Dr. Axel Schroeder
Herausgeber/Präsident Berufsverband der Deutschen Urologie e. V.

Prof Dr. Dr. Jens Rassweiler
Präsident Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V.

Lesen Sie hier die aktuelle Ausgabe von Der Urologe 08/2020

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