Ein neues Gesetz verpflichtet Medizinerinnen und Mediziner dazu, eine Haftpflichtversicherung mit bestimmter Mindestdeckungshöhe abzuschließen
von Johannes Jaklin
Der Gesetzgeber hat sich mit dem Thema der Berufshaftpflichtversicherung für Vertragsärztinnen und -ärzte befasst und sieht hier einen Regelungsbedarf. Daher wurde das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) dazu genutzt, eine Versicherungspflicht für Vertragsärztinnen und -ärzte zu schaffen. Bundestag und Bundesrat haben das Gesetz im Juni beschlossen, am 20. Juli 2021 ist es in Kraft getreten. Johannes Jaklin, Fachanwalt für Medizinrecht, erläutert die Inhalte.
Mindestversicherungssummen liegen fest
Mit der Einfügung des § 95e in das Sozialgesetzbuch V wird nun erstmals eine Verpflichtung der Vertragsärztinnen und -ärzte gesetzlich festgelegt, sich ausreichend gegen die Haftpflichtgefahren zu versichern, die sich aus der Berufsausübung ergeben.
Das Gesetz fordert dazu eine Mindestversicherungssumme von drei Millionen Euro. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sowie Vertragsärztinnen und -ärzte beziehungsweise Berufsausübungsgemeinschaften mit angestellten Ärztinnen und Ärzten müssen mindestens fünf Millionen Euro Versicherungssumme einkaufen. Grundsätzlich dürfen die Leistungen des Versicherers für alle Schäden eines Jahres nicht weiter als auf den zweifachen Betrag der Mindestversicherungssumme begrenzt sein. Bei MVZ und Vertragsärztinnen und -ärzten sowie Berufsausübungsgemeinschaften mit angestellten Ärztinnen und Ärzten gilt der dreifache Betrag als Untergrenze. Dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wird die Möglichkeit eingeräumt, eine höhere Versicherungssumme miteinander zu vereinbaren.
Für die im Zusammenhang mit der Versicherungspflicht stehenden Nachweis- und Meldepflichten wird der Zulassungsausschuss die zuständige Stelle. Diesem Gremium gegenüber ist der ausreichende Versicherungsschutz bei Antrag auf Zulassung, Ermächtigung oder Genehmigung einer Anstellung beziehungsweise auf Verlangen des Zulassungsausschusses zu erbringen.
Wenn ein Versicherungsverhältnis nicht vorliegt, es beendet oder geändert wird, ist dies anzuzeigen. Damit korrespondierend kommt dem Zulassungsausschuss auch eine Kontrollpflicht zu, und er erhält entsprechende Sanktionsbefugnisse. Von sich aus hat der Zulassungsausschuss die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt zur Vorlage eines Versicherungsnachweises aufzufordern, wenn er Kenntnis davon erlangt, dass eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung nicht besteht.
Kommt die Ärztin/der Arzt dem nicht nach, muss der Ausschuss beschließen, dass die Zulassung ruht.
Die Zulassungsausschüsse sind verpflichtet, bei allen betroffenen Ärztinnen und Ärzten, MVZ und Berufsausübungsgemeinschaften innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes einen entsprechenden Nachweis anzufordern.
Ansprüche sollen nicht ins Leere laufen
Es stellt sich die Frage, was den Gesetzgeber dazu bewogen hat, den Vertragsärztinnen und -ärzten diese Pflicht aufzuerlegen, obwohl für jede Ärztin und jeden Arzt bereits aus berufsrechtlichen Gründen eine Verpflichtung zu ausreichendem Versicherungsschutz besteht. In den Heilberufs- und Kammergesetzen der Länder beziehungsweise in den jeweiligen Berufsordnungen finden sich Vorgaben zum Versicherungsschutz, der selbstverständlich auch für die Vertragsärztinnen und -ärzte gilt. So kann konsequenterweise die Verpflichtung nach § 95e SGB V auch mit einer Berufshaftpflichtversicherung erfüllt werden, die aus berufsrechtlichen Gründen abgeschlossen wurde.
In der Gesetzesbegründung findet sich das Motiv, mit der Versicherungspflicht die Realisierbarkeit von Schadensersatzansprüchen und Regressforderungen bei Behandlungsfehlern zu stärken. Die teilweise sehr hohen Forderungen der Geschädigten und der Sozialleistungsträger sollen nicht aufgrund unzureichenden Versicherungsschutzes ins Leere laufen. Dabei wird auf den Bundesrechnungshof verwiesen. Er habe in den Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung 2017 darauf hingewiesen, dass Vertragsärztinnen und -ärzte teilweise gar keine oder nur eine unzureichende Haftpflichtversicherung hätten. Außerdem werde der Versicherungsschutz, der sich aus den berufsrechtlichen Vorgaben ergebe, nicht in einem standardisierten Verfahren geprüft, argumentiert der Gesetzgeber.
Verschiedene Auswirkungen sind zu beachten
In Anbetracht der sehr jungen gesetzlichen Regelung ist klar, dass in der Umsetzung eine Reihe von Fragen aufkommen werden, die heute noch nicht beantwortet werden können. Bereits jetzt sollten jedoch gewisse Dinge beachtet werden:
Vertragsärztinnen und -ärzte
Für Vertragsärztinnen und -ärzte, Ärztinnen und Ärzte mit einer Ermächtigung, MVZ und Berufsausübungsgemeinschaften ist es wichtig, sich mit den beschriebenen Anforderungen an die Berufshaftpflichtversicherung auseinander zu setzen. Die Vorgaben – insbesondere auch an die Höhe der Versicherungssumme – sind zu erfüllen. Innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten wird der entsprechende Versicherungsnachweis nach Aufforderung durch den Zulassungsausschuss vorzulegen sein. Sollte man der Aufforderung nicht nachkommen, wäre der Beschluss über das Ruhen der Zulassung eine äußerst empfindliche Sanktion.
Krankenhäuser
Adressat der neuen gesetzlichen Regelung ist die Vertragsärztin/der Vertragsarzt. Damit fällt das Krankenhaus grundsätzlich nicht unter die Versicherungspflicht des § 95e SGB V. Es gilt aber zu prüfen, ob möglicherweise über die Betriebshaftpflichtversicherung des Krankenhauses auch Risiken aus der vertragsärztlichen Versorgung mit abgedeckt sind. Zu denken ist dabei an ein vom Krankenhaus betriebenes MVZ oder eine zusätzliche Ermächtigung einer angestellten Ärztin/eines angestellten Arztes. Für den Fall muss eine Überprüfung auf die Einhaltung der neuen Vorgaben des § 95e SGB V hin erfolgen.
Wir werden für Sie die weiteren Entwicklungen im Blick behalten und darüber gegebenenfalls berichten.
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