Die Welt ist aus den Fugen geraten. Angesichts der andauernden Corona-Pandemie steht die Menschheit vor einer historischen Aufgabe. Wir Ärztinnen und Ärzte sind an vorderster Front betroffen. Urologinnen und Urologen tragen die Verantwortung, die urologische Versorgung in diesen Krisenzeiten für unsere Patienten aufrecht zu erhalten.
Insbesondere im ambulanten Sektor sind Niedergelassene gefordert, ihre Mitarbeitenden und sich selbst bestmöglich zu schützen, um lange ihrer Arbeit nachgehen zu können. Doch mangelnde Schutzausrüstung stellt uns im April bei der Bekämpfung des Coronavirus vor das größte Problem in Arztpraxen. Denn ohne ausreichende Schutzmasken, Kittel und Handschuhe müssen Ärzte infektiöse Patienten abweisen und im Extremfall ihre Praxis schließen.
Darüber hinaus müssen Patientenströme gezielt gesteuert werden, um diese grundsätzlich vor unnötigen Risiken bewahren. Der Praxisalltag sollte auf das medizinische Maß des Notwendigen reduziert werden. Allerdings behandeln viele Urologen nicht nur in der Praxis. Ein Großteil unserer Patienten ist betagt, gehört also zur Risikogruppe, und muss in Rahmen von Heim- und Hausbesuchen versorgt werden.
Honorarverluste in Praxen
Neben den rein medizinischen und versorgungsrelevanten Aspekten setzen sich Arztpraxen derzeit mit den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise auseinander. Wir begrüßen den Schritt der Selbstverwaltung, für die Vertragsarztpraxen einen Schutzschirm aufzuspannen. Wenn auch dieser zurzeit noch sehr löchrig ist! Ohne Vertragsärztinnen und -ärzte wird die medizinische Versorgung nicht gewährleistet werden können.
Praxen werden voraussichtlich im 2. Quartal deutliche Honorarverluste hinnehmen müssen. Die KVen haben zugesichert, dass die Abschlagszahlungen zwar unverändert bleiben und auch die Kalkulation für die Budgets in 2021/2022 sollen nicht angepasst werden. Die Bundesregierung und die KBV kündigen Ausfallzahlungen an. Anders als bei den Krankenhäusern, wo die Ausgleichzahlungen der Staat und damit am Ende der Steuerzahler übernimmt. So weit, so gut. Aber der Gesetzgeber hat sich in bewusster Entscheidung bei Unterstützungsmaßnahmen auf die Vertragsärzte und deren Leistungen für gesetzlich Versicherte beschränkt. Dies ist jedoch nur ein Teil der Versorgungs- und Leistungsrealität.
In den meisten urologischen Praxen werden zwei Drittel aller Einnahmen durch GKV-Patienten erzielt, ein Drittel durch PKV-Versicherte. Teilweise liegt das Verhältnis sogar bei 50/50. Somit bilden die in der Behandlung von Beihilfeberechtigten und Selbstzahlern erzielten Honorare einen wesentlichen, die Funktionsfähigkeit der Praxen stützenden Bereich. Gravierende Honorarminderungen werden entstehen, weil unter COVID-19-Bedingungen nicht nur weniger Patienten behandelt werden, sondern auch viele Leistungen nicht erbracht werden können. Das betrifft die Vorsorge- und Nachsorgeuntersuchungen, Heimbesuche, belegärztliche und ambulante Operationen.
Daher greift dieser erste Schritt des Gesetzgebers nicht weit genug: Wir fordern aus der Kann-Bestimmung der Ausgleichzahlungen ein „Muss“! Darüber hinaus müssen zügig weitere Schritte unternommen werden, bei denen die privaten Krankenversicherungen und sonstigen Kostenträger einbezogen werden. Ärztinnen und Ärzte, die sich im Rahmen der Bewältigung der Krise mit ihrer Gesundheit, ihren Mitarbeitern und Praxen einbringen, benötigen einen effektiven Schutz. Ihre Arbeitsplätze, ihr Einkommen muss auch weiterhin gesichert sein. Nur so können sie der erste Schutzwall gegen die Überforderung der stationären Versorgung sein.
Krankenhäuser befürchten Kurzarbeit, betriebsbedingte Kündigungen und Insolvenzen
Im stationären Bereich geht es derzeit darum, Kapazitäten für dringende Fälle sowie mögliche Corona-Fälle freizuhalten. Daher werden alle Wahleingriffe verschoben. Die Krankenhäuser sollen für entgangene Operationen Ausgleichszahlungen in Milliardenhöhe erhalten. Doch viele Klinikchefs halten die Unterstützung für zu gering und befürchten Kurzarbeit, betriebsbedingte Kündigungen und Insolvenzen. Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken titelte gar in einer Pressemitteilung mit den Worten „Covid-19-Gesetz läutet die Totenglocke für Kliniken.“ In dieser schwierigen Zeit entstehen jedoch auch große Chancen, und zwar für die sektorenübergreifende Versorgung. Urologische Fachärztinnen und -ärzte müssen aktuell ihre Ressourcen bündeln und Kapazitäten mit den Krankenhäusern koordinieren. Ein Schritt, der in Corona-Zeiten wichtig ist, aber angesichts der demografischen und finanziellen Rahmenbedingungen künftig unvermeidbar. Wir stehen vor großen Herausforderungen und wissen nicht, was die Zukunft bringt. Dennoch sollten wir auch einen Blick nach vorne werfen.
Ein Leben mit Corona wird erfordern, künftig auch infizierte Patienten urologisch behandeln zu müssen. Ein Leben nach Corona bedeutet, all die Patienten zu versorgen, die wir momentan nicht behandeln können. Und das zusätzlich zum weiterlaufenden Praxis- bzw. Krankenhausbetrieb. Auch dafür müssen wir uns rechtzeitig wappnen. Ich bin zuversichtlich, dass wir diese Krise mit vereinten Kräften meistern werden und appelliere an Sie, Ruhe zu bewahren und Ihren Beruf mit aller Menschlichkeit zu leben.
Bleiben Sie gesund!
Ihr Dr. Axel Schroeder
Präsident Berufsverband der Deutschen Urologie e. V.