Ein positives Zwischenfazit zur Bewältigung der Corona-Pandemie hat KBV-Chef Dr. Andreas Gassen gezogen. Im Video-Interview mit KV-on fasst er zusammen, warum die ambulante Versorgung dabei eine große Rolle gespielt hat und warum die Praxen jetzt zum Normalbetrieb zurückkehren sollten.
„Die Lehre, die wir ziehen können, ist, dass zumindest in Deutschland das Gesundheitswesen funktioniert hat, vor allen Dingen natürlich das besonders geforderte ambulante Gesundheitswesen“, sagte Gassen. Es habe letztlich der Bevölkerung entsetzliche Szenarien wie in Italien, Spanien und auch Frankreich erspart.
Der KBV-Chef wies darauf hin, dass sechs von sieben Corona-Patienten ambulant versorgt wurden. „Die erste Anlaufstelle für erkrankte Patienten ist unverändert das ambulante System, also die niedergelassenen Praxen mit rund 100.000 verfügbaren Anlaufstellen in der Fläche“, führte er aus. Das sei komplett anders als in fast allen anderen Ländern dieser Welt und habe auch dazu geführt, dass es – in Verbindung mit den Maßnahmen im Krankenhaus – keine Überforderung des Systems gegeben haben.
Als einen weiteren Erfolg wertete Gassen, dass sich die Experten hierzulande sehr frühzeitig zur Testung verständigt und die KBV bereits im Februar mit den Kassen eine Vergütungsvereinbarung abgeschlossen hätte. „Deshalb war es möglich, alle Verdachtspatienten sehr schnell und ohne Kosten für die Patienten zu testen“, sagte er.
Praxen sind für zweite Welle gerüstet
Zu den Problemen speziell bei den Schutzausrüstungen gab der Ärztechef Entwarnung: „Das hat sich Gott sei Dank jetzt weitestgehend relativiert, sodass ich sagen würde: Die Struktur ist da. Wir wissen, wie wir mit dem Virus umgehen können. Und die Praxen sind daher gut gerüstet, sollte es nochmal zu einer zweiten Welle kommen.“
Rückkehr zum Normalbetrieb
Angesichts eines aktuell kontrollierbaren Corona-Krankheitsgeschehens rät Gassen den niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten dazu, den Normalbetrieb wieder hochzufahren. „Die chronisch Kranken sind unverändert chronisch krank, Vorsorgen sind unverändert wichtig und sinnvoll“, sagte er.
Behandlungen und Kontrolluntersuchungen hätten einen gewissen Zeitraum unterbrochen oder gestreckt werden können. Gassen: „Aber wir merken eben jetzt, dass wir langsam in Bereiche kommen, wo es eben auch mit Gesundheitsrisiken für die Patienten einhergeht, wenn jetzt nicht wieder in den Normalbetrieb zurückgekehrt wird.“
„Hygieneregeln sollte man natürlich trotzdem befolgen. Das galt vor der Pandemie, das gilt hinterher“, betonte der KBV-Vorstandsvorsitzende. Hier vertraue er der Sachkenntnis der Niedergelassenen, wenn es darum gehe, wann geänderte Abläufe und Maßnahmen wie eine andere Bestuhlung des Wartezimmers zurückgefahren werden können. „Es ist ja nicht so, dass das Neuland für Ärzte wäre. Es ist für viele Neuland, für die Ärzte und Psychotherapeuten sicherlich nicht“, sagte Gassen.
Ausreichend Testkapazitäten vorhanden
Im Hinblick auf die von der Politik geplante Ausweitung der Tests auf asymptomatische Patienten sieht Gassen noch ausreichend Kapazitäten, fordert aber klare vertragliche Regelungen auf Bundesebene.
Organisatorische Fragen und auch die Vergütung müssten geklärt werden – etwa falls der Gesundheitsdienst bei den Abstrichen Unterstützung durch die Vertragsärzte benötige. Das sei nicht der normale Teil der gesetzlichen Krankenversicherung, unterstrich Gassen.
Mit einer Rechtsverordnung will das Bundesministerium für Gesundheit die Zahl der Testungen ausweiten, um den Betrieb in potenziell kritischen Infrastrukturen wie Altenheimen, Krankenhäusern und Schulen aufrechtzuerhalten (die PraxisNachrichten berichteten).
Aktuell sind rund 800.000 Tests pro Woche möglich. Diese Kapazitäten würden bisher nicht mehr ausgeschöpft, weil die Zahl der Infektionen sinkt, sagte Gassen. „Auch das ist sicherlich eine Situation, die auch der Tatsache geschuldet ist, dass wir niedergelassene Labore haben, denn die haben die Hauptlast dieser Tests gestemmt.“
Quelle: KBV